Bd. 3 - Der dunkle Stern
höflich und diplomatisch ausgefallen, doch seine Flügel hatten Verständnis und vielleicht sogar Mitgefühl erkennen lassen.
Ihre Heimat. Nach so vielen Jahren im Dienst Seiner Majestät, unterwegs im All und auf weit entfernten Welten, wirkte dieser Begriff fremd, wie ein neutrales Wort, das aus dem Zusammenhang gerissen war. Doch in ihrem Unterbewusstsein regten sich im Schlaf Bilder und Erinnerungen, die so wirkten, als seien aus den Tiefen des Ozeans Trümmer an das Ufer ihres Bewusstseins gespült worden.
Das Hier und Jetzt wartete auf sie, als sie das Deck der Station betrat: ein Captain, der sich ihr näherte, die Uniformmütze unter den Arm geklemmt. Jackie stand zwischen Dan McReynolds und Sultan Sabah keine zehn Meter von der Frachtschleuse entfernt. Etwas stimmte nicht. Der uniformierte Offizier auf dem Deck eines zivilen Orbitalhafens war völlig fehl am Platz, und sie wusste, dass dieser Captain auf der Suche nach ihr war.
»ha Gyaryu’har?«, fragte er und kam auf sie zu.
Jackie bemerkte das Emblem des Hohen Nests an seiner Schulterklappe.
»Ich habe eine Nachricht für Sie.«
»Dann lassen Sie mal sehen.«
Er reichte ihr einen Computer, sie nahm ihn entgegen und tippte mit dem Stylus auf die blinkende Anzeige.
Ha Gyaryu’har, es ist meine Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass unser weiser Freund S’reth, Sohn von S’tlin, den Äußeren Frieden überwunden hat. Er sorgte für ein wichtiges sSurch’a, unmittelbar bevor ihn esLis Goldenes Licht umschloss, was grundlegende Auswirkungen hat für den Flug, den das Hohe Nest unternehmen muss. Der Hohe Lord übermittelt seine Grüße und bittet achttausendmal um Verzeihung, dass er Sie bitten muss, Ihre Nest-Angelegenheiten so bald wie möglich zum Abschluss zu bringen und für Besprechungen nach esYen zurückzukehren.
Wenn die Umstände es zulassen, befassen Sie sich bitte mit dem Epos seLi’e’Yan als Orientierung. esLiHeYar Byar HeShri
Jackie gab Computer und Stylus zurück. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sei soeben ein eisiger Wind aufgekommen.
»Werden Sie darauf antworten, Ma’am?«, fragte der Offizier.
»Was?« Sie sah Dan an, der besorgt dreinblickte, und dann wieder den Captain. »Nein … keine Antwort. Übermitteln Sie se Byar meine Grüße und bestätigen Sie, dass ich die Nachricht empfangen habe.«
Der Offizier nickte, salutierte und machte auf dem Absatz kehrt. So schnell er konnte, überquerte er das Deck.
»Der hat’s ja verdammt eilig«, sagte der Sultan. »Was …« Er bemerkte Jackies Gesichtsausdruck und verstummte, als bedauere er schon, dass er den Satz überhaupt angefangen hatte.
»S’reth ist tot«, sagte sie zu Dan. »Byar HeShri hat mich praktisch aufgefordert, ich solle mich beeilen und schnellstens nach Hause zurückkehren.«
»Was wirst du machen?«, wollte Dan wissen. »Willst du sofort los?«
»Ich habe Jahre darauf gewartet, wieder mal hierherzukommen«, entgegnete sie. »Ich werde in den Wäldern auf dem Nördlichen Kontinent spazieren gehen, und ich werde meinen Dad besuchen und mir seinen Rat holen.«
»Was dagegen, wenn wir mitkommen?«
»Eigentlich ja. Wird euch das davon abhalten?«
Dan grinste. »Glaube ich nicht.«
»Dann los.«
Der Shuttleflug zum Raumhafen Stanleytown verlief ereignislos. Jackie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, als Zivilperson zu reisen, aber ihre diplomatischen Papiere machten es ihr leicht, das gyaryu durch den Zoll zu bringen. Zwar schienen sich die Beamten nicht an einem Vertreter des Hohen Nests zu stören, doch sie interessierten sich auch nicht weiter dafür. Sobald sie den Terminal erreicht hatten, begaben sich die drei zu einem Aircar-Verleih. Ehe sie jedoch ein Fahrzeug ausleihen konnten, hörte Jackie, dass jemand ihren Namen rief.
»Kommt ja gar nicht infrage!«, rief die Stimme, und als Jackie sich umdrehte, sah sie eine Frau, die durch den Terminal in ihre Richtung eilte. Während die beiden sich in die Arme fielen, standen Dan und der Sultan da und sahen sich nervös um.
Jackie drehte sich mit der Frau zu den beiden um. »Dan, Sultan, das ist meine Cousine Kristen. Kris, das sind Dan McReynolds und sein Chief Steward Drew Sabah.«
»Das ist also der berühmte Dan McReynolds«, sagte Kristen und musterte ihn von oben bis unten. Ihr Gesicht wies eine gewisse Ähnlichkeit mit Jackies Physiognomie auf, sie war aber gut zehn bis zwölf Jahre älter und hatte nichts von dem militärischen Auftreten ihrer Cousine. Sie wirkte
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