Bd. 3 - Der dunkle Stern
gern hereinkommen und Platz nehmen«, sagte der Mann und deutete auf einen bequem aussehenden Sessel ihm gegenüber. Das gyaryu lag dicht neben ihm auf einem geschnitzten Schwertständer. Jackie konnte die Klinge nach ihr rufen hören, als sei deren Stimme tatsächlich vernehmbar.
Trotz der Einladung blieb sie in der Tür stehen. Beim Blick zurück in den langen, düsteren Korridor mit seinem polierten Boden und der gewölbten Decke konnte sie zwar einige Verstecke erkennen, aber keinen offensichtlichen Fluchtweg. Da das Aircar ausgefallen war und draußen der Sturm heulte, bestand kein Zweifel daran, dass sie in der Falle saß.
Sie konnte nicht mal mit Th’an’ya reden, obwohl sie das ohnehin nicht gemacht hätte, da die Gefahr bestand, dass der Vuhl (auch wenn er menschliche Gestalt besaß, ging sie davon aus, dass er ein Vuhl war) das bemerken würde. Es bestand eine minimale Chance, dass sie noch nichts von ihrem Lenkenden Geist wussten, und Jackie beabsichtigte nicht, es ihnen zu verraten.
Willkommen am Ende des Weges, dachte sie.
»Erlauben Sie mir, Ihnen etwas zu trinken einzuschenken«, sagte der Mann mit äußerster Gelassenheit. Er stand auf und ging zu einem Sideboard nahe dem Fenster, wo eine Karaffe und einige Gläser standen. Wieder zerriss ein Blitz den Himmel, dicht gefolgt von einem lauten Donner. Das Unwetter befand sich fast genau über ihnen.
Einen Moment später drehte er sich zu ihr um und hielt zwei schmale, hohe Gläser mit einer blassbraunen Flüssigkeit darin in den Händen. Während eines weiteren Blitzes in ihrem Rücken bekam Jackie die Gelegenheit, sich den Mann genau anzuschauen. Er war nicht übermäßig groß, von hagerer, fast ausgezehrter Statur. Die Uniform, die er trug, war ihr nicht vertraut – sie hatte etwas von einer Uniform der Imperialen Navy, allerdings wäre sie dann schon mindestens vor einem Jahrhundert aus der Mode gekommen. Auch gab es keinerlei Emblem oder Rangabzeichen.
»Wie kommen Sie darauf, dass ich das trinken werde?«
»Oh, bitte, Ma’am. Machen Sie keine Spaße.« Seine seidenweiche Stimme schien bewusst so angelegt zu sein, um sie zu beruhigen, doch in Wahrheit wurde sie dadurch nur noch nervöser. »Sie befinden sich auf einer Welt, die von mächtigen Fühlenden kontrolliert wird. Außerdem sind Sie hier« – er machte eine ausholende Geste –, »weil ich dafür gesorgt habe, dass Sie herkommen. Das sollte die Möglichkeit ausschließen, dass der Inhalt dieses Glases mit einer Droge oder mit einem Gift versetzt wurde. Ich empfinde wirklich nur minimalen Groll, wenn man bedenkt, wie viele Probleme Sie und Ihre Art mir bereitet haben. Auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass Sie mir nicht glauben werden, habe ich Sie doch hergebracht, um Ihnen zu helfen.«
»Um mir zu helfen?« Sie betrat das Zimmer, immer noch nervös. »Und womit wollen Sie mir helfen?«
»Natürlich mit dem Gegenstand Ihrer Suche.« Er streckte eine Hand aus und hielt ihr das Glas hin. Jackie nahm es an, achtete aber darauf, dass er sie nicht berühren konnte. Mit der nun leeren Hand zeigte er auf den Schwertständer mit dem gyaryu. »Sie müssen auch da nichts vortäuschen – das Schwert ist der Grund, weshalb Sie hier sind. Es ist auch der Grund für meine Anwesenheit, selbst wenn ich davon ausgehe, mich in Kürze zu verabschieden.«
Er stieß behutsam mit ihr an, die beiden Gläser berührten sich mit einem leisen Klirren. »Sie müssen wissen, dass ich hier bin, um Ihnen das Schwert zu übergeben.«
»Zu welchem Preis?«
»Preis? Sie missverstehen mich, werte Lady. Es ist kein Preis damit verbunden, abgesehen von dem, den Sie bereits bezahlt haben. Sie können das gyaryu an sich nehmen.« Er trank einen Schluck aus seinem Glas und schien nachzudenken.
»Wer sind Sie, dass Sie mir das gyaryu geben wollen? Sind Sie irgendein Rivale der Großen Königin?«
»Wer ich bin?« Er nahm wieder Platz und lächelte sie an. Zwei Reihen perfekter Zähne ließen ihn wie ein Raubtier wirken. »Sie können Stone zu mir sagen.«
Mit diesem Namen konnte sie nichts anfangen. »Und welche Absichten verfolgen Sie, Mr. Stone?«
»Für recht lange Zeit war ich ein Berater der Großen Königin, auch wenn sie von nun an ohne meine Ratschläge zurechtkommen wird. Es wäre extrem vereinfacht gedacht, mich ihren Feind zu nennen, auch wenn es nicht das erste Mal wäre, dass mir ein solches Verbrechen unterstellt wird. Nein, ich habe andere Auftraggeber. Sie beobachten, wie diese
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