be-coming
erklären. »Keine Magie. Ich kann nicht hellsehen ...«
»Aber doch eine Art zweites Gesicht .«
Ich sah, dass er sich unwohl fühlte. »Ich ... weiß nicht genau.«
»Dann sag mir doch wenigstens, was du jetzt gerade fühlst, im Moment«, bohrte ich weiter. Ich hatte das Gefühl, dass er mir etwas Wichtiges verschwieg.
»Nichts, Falk ... nichts. Ich bin erschöpft.«
Ich wusste, dass er mir nicht die Wahrheit sagte, doch ich sagte nichts. Stieg aus und holte zwei Decken aus dem Kofferraum, von denen ich eine Cieran gab. Darin wickelten wir uns ein und bereiteten uns auf eine vermutlich nicht besonders erholsame Nacht vor.
Ich erwachte früh, als die Sonne gerade am Horizont aufging. Die Farben des anbrechenden Tages waren atemberaubend, doch ich konnte sie nicht genießen. Zuviel anderes beschäftigte mich im Moment. Ich verließ den Wagen, um mich zu erleichtern und ein paar Schritte zu gehen. Mein Rücken schmerzte – ich hatte wirklich schon bequemere Nächte verbracht. Als ich zum Wagen zurückkehrte, sah ich, dass Cieran ebenfalls aufgewacht war.
»Was ist?« fragte er verschlafen.
Er sah sehr süß aus mit seinen zerstrubbelten Haaren.
»Wir fahren jetzt irgendwo hin zum Frühstücken.«
Er nickte und richtete sich langsam in seinem Sitz auf. »Warte, ich muss auch mal raus ...«
Wir frühstückten bei McDonald’s, und ich nutzte die Gelegenheit, mich dort zumindest oberflächlich zu waschen und mir die Zähne zu putzen.
Cieran folgte mir wie ein Schlafwandler. Er schien das alles noch nicht zu begreifen. Aber ich konnte ihm das nicht verübeln. Begriff ich es denn wirklich?
Als wir wieder im Auto saßen, schüttelte er seine Erstarrung ein wenig ab. »Und nun?«
»Jetzt hole ich Phil aus dem Krankenhaus«, sagte ich mit vorgetäuschtem Optimismus.
Cieran starrte mich ungläubig an. »Der behandelnde Arzt wird ihn niemals entlassen.«
»Von entlassen habe ich auch nicht gesprochen. Aber – ich habe Maurice in der Hand, Dr. Maurice Carter, und er ist der Leiter der Klinik.«
Schweigend sah er aus dem Fenster.
»Was ist mit Carter?« fragte er mich nach einiger Zeit. »Warum kannst du ihn erpressen?«
Ich lächelte schmal und sah ebenfalls kurz aus dem Fenster, um mich jedoch gleich wieder auf die Fahrbahn zu konzentrieren. Es war ungewöhnlich warm heute. Die Luft flirrte vor Hitze.
»Er steht auf perverse Sachen.« Ich lachte grimmig. »Ich habe ein paar äußerst prekäre Fotos von ihm.«
»Woher?« fragte Cieran erstaunt.
»Cieran, sei doch nicht so naiv – ich habe sie selbst gemacht.«
Er starrte nach draußen. Und ich sah, dass er diese Antwort erst einmal verdauen musste. Cieran traute mir solche Dinge noch immer nicht zu.
Ich bog auf den großen, etwa halb vollen Parkplatz des Krankenhauses ab.
Maurice Carter war ein kleiner, drahtiger Mann Anfang fünfzig. Sein grau meliertes Haar war exakt geschnitten und umrahmte ein freundliches, offenes Gesicht. Er trug eine teure Hose, die wahrscheinlich Teil eines noch teureren Anzugs war und ein gut geschnittenes weißes Hemd unter seinem weißen Kittel.
Als er mich sah, huschten seine Augen unruhig hin und her. Eilig zog er mich in sein kühles, voll klimatisiertes Büro.
»Was tust du hier?« fragte er alarmiert.
»Bleib ruhig, Maurice«, sagte ich und setzte mich auf die Ecke seines überfüllten Schreibtischs. »Ich hole einen Patienten ab. Den Mann mit der Schusswunde, den ich vorgestern hierhergebracht habe.« Ich sah, dass er über die Zusammenhänge nichts wusste, doch er hatte sich relativ schnell wieder unter Kontrolle.
Mit gerunzelter Stirn starrte er mich an. »Sei nicht albern. Er ist vorgestern Nacht operiert worden.«
»Ich werde ihn gleich mitnehmen«, sagte ich noch einmal mit Nachdruck. »Er wird gesucht, von Leuten, die ihn umbringen wollen. Wenn sie ihn hier finden, ist er so gut wie tot. Und es ist ziemlich sicher, dass sie ihn hier finden würden. Also nehme ich ihn mit. – Du wirst, falls man dich fragt, aussagen, dass niemand in dein Krankenhaus gebracht wurde, auf den die Beschreibung des Mannes passt, okay?«
Maurice starrte mich an. »Das ist hoffentlich nicht dein Ernst.«
Ich lächelte humorlos. »Ein falsches Wort zu irgendwem, Maurice – und nicht nur deine Frau wird erfahren, was dich wirklich geil macht.«
»Das würdest du nicht tun. Meine Tochter ...«
Ich unterbrach ihn rüde. »Du weißt, ich bin skrupellos, vor allem, wenn es um mein Leben geht.«
»Ich dachte, ich könnte
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