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be-coming

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Titel: be-coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rhys Beck
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Er war so fremd für mich, als wäre er eben erst vor meinen Augen aus einem UFO gestiegen.
    Wir fuhren etwa zwei Stunden, die letzten eineinhalb auf dem Highway. Phil war ungewöhnlich wortkarg, was mir allerdings entgegenkam, da ich meinen eigenen Gedanken nachhing. Kurz schoss mir durch den Kopf, dass ich auf Lisa hätte hören sollen – oder aber zumindest auf Mike. Das alles ein kurzes Aufblitzen, das ich sofort verdrängte. Jetzt war es eh zu spät, jetzt war ich mittendrin.
    Phil fuhr vom Highway hinunter, durch einige kleinere Straßen, bis ich völlig die Orientierung verlor. Er bog in eine Art Industriegebiet ein, in dem große, schlichte Häuser Büroansammlungen beherbergten und sterile Fabrikgebäude und Lagerhallen einander abwechselten. Alles war grau in grau und von der unbarmherzigen Mittagssonne umschlungen.
    Er lenkte den Geländewagen auf einen großen Parkplatz, auf dem lediglich drei weitere Autos standen. Dort hielt er an und drehte sich zu mir.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Ich verstand erst nicht, was er meinte – bis er mir den Mund mit Leukoplast zuklebte. »Du musst ganz ruhig durch die Nase atmen. Keine Aufregung.«
    Ich war wie erstarrt.
    »Dreh dich um, Hände auf den Rücken.«
    Ich tat, was er befahl, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Herz schlug zu schnell, und ich bemühte mich krampfhaft um eine ruhigere Atmung.
    »Ich kann nicht riskieren, dass du gleich nicht mitmachst. Sergio, die Ratte, flippt aus, wenn man sich ihm verweigert. Deswegen hat er wohl hauptsächlich Sex mit Leichen – die wehren sich nicht mehr.«
    Ich drehte meinen Kopf ein wenig und starrte Phil ungläubig an.
    »Ist mein Ernst.« Er fesselte meine Hände auf dem Rücken.
    Ich fühlte mich entsetzlich, als Phil mich gefesselt aus dem Wagen zog. Aufgrund meiner Behinderung hatte er darauf verzichtet, mir auch Fußfesseln anzulegen. Ich war eh schon mehr als langsam. Doch er drängte mich nicht.
    Mit gesenktem Kopf folgte ich ihm über den Parkplatz, hinein in den unpersönlich wirkenden Wolkenkratzer, der aussah, als würde er ein Firmenimperium beherbergen. Ich konnte nicht begreifen, dass Phil mich so mitnehmen konnte. Dass niemand ihn darauf ansprechen würde. Verdammt, ich wäre doch zumindest erstaunt, wenn jemand mit einem Gefesselten vor mir her über einen öffentlichen Parkplatz schlenderte!
    Erst, als wir in die dunkle Eingangshalle traten und eine angenehme Kühle uns umfing, verstand ich. Hier war es offensichtlich alltäglich, so mit Menschen umzugehen. Dazu kam, dass – außer einem verdrießlich dreinblickenden Schwarzen, der unübersehbar bewaffnet war – sich niemand in der Eingangshalle aufhielt. Als der Schwarze Phil sah, wurde er unruhig. Seine Hand zuckte unwillürlich – wollte er auf Phil schießen?
    Doch er beäugte uns nur misstrauisch, ließ Phil näher herankommen.
    »Sag Sergio, dass ich mit ihm sprechen muss«, begann Phil ohne Begrüßung. Er war offenbar bekannt.
    Der große Schwarze nickte und nahm ein Handy aus der Tasche seines Jacketts. Seine großen zitternden Finger verrieten seine Unruhe. Warum hatte er solch eine Angst vor Phil? Wir waren schließlich unbewaffnet. Und er hatte doch wohl nicht auch eine Art »zweites Gesicht«?
    Nach einem kurzen Gespräch wandte er sich wieder an Phil: »Mit dem Aufzug in den dritten Stock, Sir.« Er zeigte auf die im Schatten liegenden Schiebetüren eines Fahrstuhls, der sich in diesem Moment öffnete.
    Phil nickte und schleifte mich hinter sich her. Meine Knie waren so weich, dass ich nicht sicher war, ob sie mich noch weiterhin trugen. Als ich einen Blick zurückwarf, sah ich, dass der Schwarze sich bekreuzigte.
    Phil sah mich scharf an und strich mir mit der Hand über die Wange, als sich die Eisentüren hinter uns schlossen. »Bleib ganz ruhig. Solange ich bei dir bin, wird dir nichts passieren.«
    Ich nickte und versuchte, mich zu entspannen – was natürlich zwecklos war.
    Im dritten Stock wurden wir von zwei ebenfalls bewaffneten Männern empfangen, die uns einen langen Flur entlang führten. Dieser Flur war mit beigefarbenem Teppich ausgelegt, die Wände holzvertäfelt. Kein einziges Fenster ließ einen Sonnenstrahl hinein, und doch war dieser Gang perfekt ausgeleuchtet.
    Ich bemühte mich, mit Phil und den beiden anderen Männern Schritt zu halten. Auch sie machten einen nervösen Eindruck. Ich vermutete, dass eine falsche Bewegung Phil das Leben kosten würde. Und ich wagte nicht, mir auszumalen, was dann

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