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be-coming

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Titel: be-coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rhys Beck
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ausgeliefert. Was sollte bloß aus ihm werden? Wenn Phil ihn jetzt ablehnte – und ich wusste, dass er das tat –, boten sie ihn dann dem nächsten Geschäftspartner an? Mein Gott, sein Leben war schon jetzt verpfuscht. Ich konnte das nicht ertragen.
    Sylvie hob den Koffer vom Boden auf, einen schwarzen, unauffälligen Pilotenkoffer aus Leder.
    »Willst du nachzählen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass ihr den Teufel über den Tisch ziehen wollt ...«
    Er spielte mit ihr. – Wie recht sie hatte, das wusste wahrscheinlich nur ich in diesem Moment.
    Sie räusperte sich – ein erstes Zeichen der Unsicherheit. Sie spürte wahrscheinlich, dass mit Phil irgendetwas nicht stimmte.
    »Nein. Es ist alles in Ordnung«, sagte sie dann.
    Ich glaube, ich hasste sie. Abgrundtief. Trotzdem versuchte ich, mir meine Abneigung nicht anmerken zu lassen.
    Phil trat auf sie zu, küsste sie erst links, dann rechts auf die Wange. Ich sah, wie sie zurückzucken wollte. Doch sie unterdrückte den Impuls; sie hatte sich gut im Griff.
    »Was ist mit ihm?« fragte sie und deutete auf den Jungen wie auf eine Sache.
    Phil winkte ab, doch das konnte ich nicht zulassen. Ich wusste, welches Schicksal ihm bevorstand. Es wäre einfach nicht fair gewesen, ihn so auszuliefern.
    »Den Jungen nehmen wir mit«, sagte ich kühl.
    Phil starrte mich überrascht an.
    »Gut, okay.« Sie schob ihn unsanft in meine Richtung. Der Junge sah ängstlich zu Boden. Ich wusste nicht, was er schon alles erlebt hatte. Ich spürte seine Verzweiflung in meinem Körper, sein Schmerz zerriss mich innerlich.
    Ich sah Phils warnenden Blick – er wusste, dass ich sie am liebsten umgebracht hätte.
    »Geh zum Auto«, sagte er zu dem Jungen. Dieser gehorchte augenblicklich.
    Sylvie wandte sich wortlos um, setzte sich in ihren roten Z3 und fuhr davon. Ihre Erleichterung, mit heiler Haut davongekommen zu sein, war fast greifbar. Ich hasste sie um so mehr, da sie den Jungen an ihrer statt zurückgelassen hatte.
    Ich sah, wie er sich unsicher zu Cieran ins Auto setzte.
    »Was willst du mit ihm?« fragte Phil und sah mich an. »Wir können ihn nicht mitnehmen!«
    »Verdammt – du weißt, was ihm bevorgestanden hätte, wenn sie ihn wieder mitgenommen hätte!«
    »Ja – und? Ich bin kein barmherziger Samariter, Falk. Kannst du mir bitte sagen, was wir jetzt mit ihm machen sollen? Willst du ihm seine Freiheit schenken?« Phil zog spöttisch die Augenbrauen nach oben.
    Ich starrte ihn wütend an. »Nein, sein Leben. – Wir machen einen Umweg über Reno.«
    »Du bist unverbesserlich«, sagte Phil, doch er lächelte.
    Wir stiegen in den Wagen, und ich drehte mich zu dem Jungen um, der nun zusammengekauert neben Cieran auf dem Rücksitz saß.
    »Wie heißt du?« fragte ich ihn.
    »Neil«, sagte er sehr leise. Er sah aus wie ein Häufchen Elend, seine Augen wanderten unruhig hin und her.
    »Neil«, wiederholte ich. Ich spürte Cierans neugierige Blicke.
    »Ich bringe dich zu Bekannten, okay? Du brauchst keine Angst vor uns zu haben.« Was immer du auch schon erlebt hast, wir sind keine Arschlöcher , fügte ich stumm hinzu – und fuhr los.
    »Wie lange bist du schon bei Sergio?« fragte Phil.
    »Ich weiß nicht, Sir ... zwei Jahre vielleicht?«
    »Und was hast du gemacht in der Zeit? Das volle Programm?« wollte Phil wissen.
    Ich spürte, wie der Junge erstarrte. »Lass ihn, Phil.«
    Doch Phil schüttelte den Kopf. »Wenn er zwei verdammte Jahre bei der Ratte war, dann weiß er, wovon ich rede.«
    »Ja, Sir.« Seine Stimme war seltsam teilnahmslos. »Natürlich weiß ich das. – Ich habe alles gemacht, was von mir verlangt wurde.«
    Die Kälte in seiner monotonen Aussage ließ mich erschaudern. Mein Magen krampfte sich zusammen.
    »Hat dir irgendetwas gefallen von dem, was du machen musstest?« fragte Phil unbarmherzig weiter.
    Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten, oder Phil den Mund.
    Neil schwieg.
    »Hey – ich verlange eine Antwort!«
    Seine Angst, sein Unbehagen lag greifbar in der Luft. Ich spürte, wie sehr er mit sich rang. Schließlich presste er eine Antwort hervor: »Es gab Sachen, die ... mit mir gemacht wurden, die waren okay.«
    Phil nickte nachdenklich. »Du musst nichts mehr machen, was du nicht möchtest.«
     
    Phil und Cieran hatten beschlossen, mit Neil im Wagen zu warten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein Imbiss; Cieran kaufte dort Getränke und etwas zu essen.
    Ich ging ein Stück die Straße hinunter, vorbei an

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