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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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»Floppy Disc« gespeichert hatte, war Mittwoch gewesen. Seitdem hatte man viele Dialoge umgeschrieben, viele Szenen umgestellt. Nun waren sie fertig, und Andrew legte die »Floppy Disc« ein, wollte aber noch einmal etwas nachschauen. Bernd rief Andrew etwas zu, während dieser die übliche Tastenfolge drückte, um sich etwas in der Datei anzuschauen: L-Ctrl-Enter. Als Andrew Bernd auf seine Frage antwortete, hörte er, dass sein Olivetti seltsame Knirschgeräusche von sich gab. Grrr-grrrr-grrrr-grrrr … Andrew drehte sich zum Computer um und sah entsetzt, wie Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe vom Bildschirm verschwand. Der Bildschirm wurde langsam schwarz und Andrews Gesicht kreideweiß.
    Bernd: »Was ist los?«
    Andrew: »Ich hab ›L‹ gedrückt … ›L‹ für ›look‹ und dann …«
    Bernd (in einem für ihn ungewöhnlichen Anfall digitalen Wissens):
    »›L‹?? Nein!!! Auf Deutsch steht ›L‹ für ›Löschen‹!«
    Andrew hatte im Eifer des Gefechts vergessen, dass er nicht mit seinem englischen, sondern mit einem deutschen Betriebssystem arbeitete. Andrew Birkins und Jean-Jacques Annauds Versionen der Geschichte unterscheiden sich leicht, aber laut Annaud verlor Birkin das Bewusstsein. »Meine sehr patente deutsche Regieassistentin, die wie jede patente deutsche Frau damals unrasierte Beine hatte, musste sich auf ihn setzen und ihn wiederbeleben!«, so Annaud. Als Birkin wieder einigermaßen im Besitz seiner Geisteskräfte war, rief er verzweifelt bei Olivetti an. Diese hatten ihr Büro in Dachau, außerhalb von München. Der dortige Kundenbetreuer war ein waschechter Bayer mit einer dementsprechend gutturalen Stimmlage und meinte mit seinem ausgeprägten deutschen Akzent: »You follow ze signs to ze concentration camp. And veee are just next to ze concentration camp on ze right.« Andrew fuhr also nach Dachau, folgte den Straßenschildern zum Konzentrationslager und tatsächlich, die Olivetti-Büros befanden sich direkt daneben auf der rechten Seite. Als dann noch der bayerische Kundenbetreuer ausrief: »Zer is nozing we can do!!! You have EXTERMINATED the disc!!«, sah sich Andrew, der einige Jahre zuvor ein Drehbuch mit dem Titel »Inside the Th ird Reich« geschrieben hatte und als Engländer in Sachen Nazis sowieso vorbelastet war, seinem schlimmsten Albtraum ausgeliefert. Das war nicht real, was hier gerade passierte! Das war Kafka mit Computer in Dachau. Verwirrt kehrte er ins Büro der Constantin zurück.
    Bernd war mittlerweile verschwunden. Auf Andrews Schreibtisch hatte er eine Flasche Dom Perignon und eine Dose Kaviar gestellt. Daneben lag ein Zettel, auf dem stand «WORK ALL NIGHT. Bernd.«
    Andrew hielt sich an Bernds Anweisung und arbeitete die Nacht durch. Er versuchte sich an alle Veränderungen, die er in den letzten zwei Tagen gemeinsam mit Bernd und Annaud vorgenommen hatte, zu erinnern und wieder in die vorletzte Fassung einzufügen. »Ich glaube, das Drehbuch wurde dadurch besser, denn wenn man mit so hohem Druck so schnell arbeitet, ist das Ganze wirklich aus einem Guss. Der Druck überträgt sich in die Dialoge«, so Andrew. Bernd konnte diesem digitalen Meltdown jedoch nichts Positives abgewinnen. Für ihn blieb die Erinnerung daran immer traumatisch. Seinen Drehbuchassistentinnen erzählte er diese Geschichte mindestens zwei Mal und bestand darauf, dass sie jeden Tag die neugeschriebenen Seiten ausdruckten. Bernd traute den Computern nicht. Einfach nur »save« zu drücken, war ihm nicht genug. Auch Dateien auf eine externe Festplatte zu ziehen, reichte ihm nicht. Er wollte Papier sehen!
    Mit dem versehentlichen Löschen des Drehbuchs wurde also Bernds Misstrauen in Computer und alles, was damit zu tun hat, geboren. Bernd weigerte sich bis zu seinem Lebensende, einen Computer zu benutzen. Auch die Idee, dass man mit einer EC-Karte von einem Automaten Geld abheben konnte, fand er äußerst suspekt. Cash musste ihm seine Assistentin in Briefumschlägen geben. Jahrelang hatte er immer eine Rolle von mehreren Tausend Mark oder Dollar bei sich. Dass ich immer nur wenig Cash bei mir trug und mich darauf verließ, dass mir ein Automat Geld geben würde, empfand Bernd als hoch naiv. Als ich ihm das Gegenteil beweisen wollte, funktionierte meine Karte auch prompt nicht, wir standen blöd da, ohne Cash, und Bernd konnte feixen: »Hab’s dir ja gleich gesagt!« Erst im Sommer 2009 wagte Bernd das Abenteuer, selbst Geld mit seiner EC-Karte abzuheben. Er hatte zuvor noch nie

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