BE (German Edition)
einem Langstreckenflug, außerdem ist die Klimaanlage zu kalt und mich fröstelt von tief innen wie am Morgen nach einer durchzechten Nacht.
Nein – ich bin nicht gut drauf heute, meine Hand zittert sogar, als ich mir eine Zigarette anstecke.
Mein Anwalt, ich nenne ihn Jack, der neben mir auf der Rückbank sitzt, schaut mich aus den Augenwinkeln heraus an. Ihm, einem der härtesten der Harten hier in Hollywood, dem Superprofi, der alles kennt, ist das natürlich nicht entgangen. Seine immer gleich schauenden Augen verraten nicht das Geringste, und doch weiß ich genau, was er jetzt denkt. Er denkt: Verdammt, der Junge zeigt Nerven. Und verdammt noch mal, er hat recht. Das ist es, was mich so nervös macht: dass ich so nervös bin.
In all den Jahren, in denen ich den Job mache, konnte ich mich immer auf eins verlassen – wann immer es wirklich eng wurde, überkam mich stets eine eiskalte Ruhe. Was ist los mit mir? Ich warte von Sekunde auf Sekunde, dass meine Ruhe kommt – aber sie kommt nicht. So versuche ich zum hundertsten Mal eine Analyse des Problems, das mich dazu zwingt, so kurz vor Drehbeginn alles stehen und liegen zu lassen, um selbst nach L.A. zu fliegen.
Ich nenne die Firmen, die im Folgenden eine Rolle spielen werden, A und B. Mit einer der beiden habe ich einen Vorvertrag über die Kinorechte in den USA, mit der anderen einen Vorvertrag über die weltweiten Videorechte. Beide Verträge, A und B, sind zusammen knapp dreißig Millionen Mark wert. Seit fast drei Monaten haben sich die verschiedenen Anwälte nun bemüht, aus den Vorverträgen die »langen«, also die letztlich bindenden Hauptverträge zu erarbeiten. Diese Verträge, jeweils um die achtzig Seiten lang, müssen rechtskräftig beidseitig unterschrieben sein, bevor eine Bank aus diesen Verträgen Geld bezahlt.
Nun muss man wissen, dass die Ausformulierung solcher Verträge beileibe keine Formalie ist, sondern ein zähes Ringen der Anwälte mit sich bringt.
Vielleicht jeder zweite Vorvertrag scheitert beim Ausarbeiten des Hauptvertrages. Das wissen natürlich die Banken, und deswegen gilt prinzipiell: keine Unterschrift – kein Geld. In meinem Fall hieß das, dass ich bis zum heutigen Tag, also vier Tage vor Drehbeginn, praktisch alles aus eigener Reserve vorfinanzieren musste:
alle Teamverträge, Schauspielerverträge, Bauten, Equipment und so weiter (z. B. bauen in Italien seit vier Monaten etwa 200 Arbeiter das Hauptmotiv, das Kloster, auf einem Berg bei Rom).
Wie es dazu kam? Beim Ausarbeiten der Hauptverträge stellte sich nach und nach heraus, dass die beiden Verträge, die ich mit A einerseits und B andererseits unterschreiben sollte, sich nicht koordinieren ließen.
Das mussten sie aber, da sich zumindest in den USA und Kanada die Kino-, TV- und Videoauswertungen zeitlich überlappen und ich in einem Vertrag nur versprechen darf, was ich halten kann. Sonst bin ich mindestens bei einer Partei vertragsbrüchig geworden im selben Moment, in dem ich den Vertrag unterschreibe. Das heißt – bis kein Kompromiss gefunden war, konnte ich keinen der beiden Verträge unterschreiben, da mich beide Parteien zu Versprechungen zwingen wollten, die sich gegenseitig ausschlossen. Am letzten Freitag (Allerheiligen) war nun bei mir die Nachricht eingetroffen, dass nach drei Monaten härtester Verhandlungen weder A noch B bereit war, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Aus – Ende der Durchsage.
Ich drücke meine Zigarette aus, zünde mir eine neue an, ein Hustenanfall schüttelt mich, und ich denke, jetzt kotze ich gleich das Auto voll. Jack schaut mich nun wirklich besorgt an.
Wir haben außer »hi« noch nichts miteinander gesprochen. Er und ich, wir haben schon viele Schlachten miteinander geschlagen, so brauchten wir uns auch nicht lange über unsere Taktik zu unterhalten.
Ich werde wie immer den unberechenbaren Rabauken mimen, der jeden Moment vom Verhandlungstisch aufspringen und gehen kann – er denjenigen, der mich bedächtig wieder an den Verhandlungstisch zurückholt.
Dieses Heiß-Kalt-Verfahren ist, wenn man es gut durchzieht, durchaus effektvoll; manchmal klappt es sogar, und man kann dann aufgrund der Reaktionen sehen, ob in der Verhandlung noch was drinnen ist.
Aber das funktioniert natürlich nur, wenn man absolut sicher ist, und dann auch nicht immer.
A und B werden auf Zeit spielen; sie wissen, ich habe keine, weil ich in vier Tagen anfange zu
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