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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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chronologisch drehen muss, sondern sie vielmehr am Schneidetisch zusammenschneidet. Noch wusste er, wie der Ton auf den Film kommt, also wie man den Ton aufnimmt und dann mit dem Bild synchronisiert. Und trotzdem, so erinnert sich Sepp Wimmer, der eine der kleinen Nebenrollen im Film hat, war Bernd sehr bestimmt in seinen Regieanweisungen. Auch wenn Bernd vielleicht wusste, was er wollte, so wusste er noch lange nicht, wie er es umsetzen sollte, denn auch vom Schneiden hatte er keinen blassen Schimmer. Bei einer Werbeagentur hatte er sich über einen befreundeten Kameramann Zugang zu einem Schneidetisch erbettelt, den sie ein Wochenende lang benutzen konnten. Sie ließen sich in die Büroräume einschließen und brachten sich selbst das Schneiden bei und wie der Ton auf den Film gelegt wird. Die Titelkarten schrieb Bernd mit der Hand, was für alle, die seine Handschrift kennen, die Sache noch berührender macht. Und ja, der Film hat, wie zuvor beschrieben, auch seine ungelenken und unfreiwillig komischen Stellen, die Bernd schrecklich peinlich waren. Aber Bernds Augenrollen angesichts seiner allerersten Anfänge ändert nichts daran: »Die Sonne schien …« ist eine amtliche Ansage. Die Geschichte und der Seelenzustand des Protagonisten werden mit einer Wucht erzählt, die charakteristisch für Bernds Filme werden sollte.
    Als Teil seiner Bewerbung musste Bernd auch einen Film analysieren und sich Gedanken zum Medium Film machen. Für seine Film-analyse suchte er sich »Katzelmacher« von Rainer Werner Fassbinder aus. In seinem Text beschreibt Bernd, warum er den Film aufgrund der Klarheit und der Konsequenz seiner Konzeption zwar bewundert, ihn jedoch trotzdem ablehnt, weil er darin nur die Projektion eines Theaterstücks sieht. Dies hat, so O-Ton Bernd von 1970, »mit Film nichts zu tun. Antitheaterstücke abzufilmen wird zwar augenblicklich für den großen Bahnbruch im Film gehalten (in Deutschland), in einer Zeit jedoch, in der man mit dreidimensionalen Projektionen experimentiert, dürfte diese Modeerscheinung ebenso schnell verschwinden, wie sie auftauchte.« 39 Jahre später, nachdem Bernd die ersten Ausschnitte von James Camerons bahnbrechendem 3-D-Epos »Avatar« zu sehen bekam, sollte sein Glaube an die 3-D-Revolution schließlich konkret zur Geltung kommen: Für Bernd bestand kein Zweifel daran, dass der vierte Teil des von ihm ins Leben gerufenen Horror-Franchise »Resident Evil« in 3-D gedreht werden musste.
    Auch der zweite Text in Bernds Bewerbung für die Filmhochschule warf Schatten voraus. Die Bewerber sollten zu der Behauptung Stellung nehmen, dass Film ein abgeleitetes, unter Umständen verfälschtes Bild der Wirklichkeit vermittele. Dazu schreibt Bernd:
     
    Die Realität unverändert, ›unverfälscht‹ zu filmen, hätte also gar keinen Sinn, da jeder wiederum nur seine Wirklichkeit daraus erkennen würde. Diese Stagnation zu beseitigen, wo sie bereits eingesetzt hat, und zu verhindern, dass sie wieder einsetzt, ist die Aufgabe jeder Kunstform, so auch des Films. Das aber setzt voraus, dass der Filmer seine Wirklichkeit in einer filmisch adäquaten Form begreifbar zu machen versteht, dass sich der Stoff zur bildlichen Darstellbarkeit eignet und zwar in einer Art, die dem Film als Massenmedium gerecht wird. Das zu leisten sind meiner Ansicht nach die wirklichen Probleme des Films. Dass begründete Behauptungen aufgestellt werden, Fernsehen und Film böten ein abgeleitetes, oft falsches Bild der ›Wirklichkeit‹, bestätigt mir nur, dass es noch viel zu wenig Filmer gibt, die diese Probleme meistern.
     
    An Selbstbewusstsein hat es Bernd offensichtlich schon damals nicht gefehlt. Aber auch sonst schien seine Bewerbung bei der Studienleitung der HFF München Eindruck gemacht zu haben. Jedenfalls wurde Bernd zur Aufnahmeprüfung eingeladen, die am 13. Juli 1970 in der Kaulbachstraße 16 in München Schwabing stattfand. Im Einladungsschreiben heißt es: »Es werden Ihnen einige Filme vorgeführt. Über einen davon müssen Sie eine schriftliche Ausarbeitung machen.« Bernds »Ausarbeitung« ist in seiner HFF-Akte erhalten geblieben. Er schreibt darin über Rainer Werner Fassbinders Film »Warum läuft Herr R. Amok?« von 1970. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass am 5. Juni 1970 die erste politische Erklärung der RAF »Die Rote Armee aufbauen« erschienen war. Am 15. Juni 1970 war Ulrike Meinhofs Tonbanderklärung im Spiegel abgedruckt worden, in der sie den für den deutschen Terrorismus

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