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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Rockstar, hatte ’ne Blondine am Arm, führte sich auf, als würde ihm die Filmhochschule gehören. Ich dagegen trug meine Che-Guevara-Jacke und meine Afro-Haare, weil ich aussehen wollte wie Jimi Hendrix. Und im Gegensatz zu mir war bei Bernd eins klar: Er hat so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie keiner von uns. Besser gesagt, er hat die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen! Das Provokante, das hat er damals schon gehabt. Meine Kommilitonen entwarfen vor dem Hochschulpräsidenten ihre visionären Filmutopien. Auch ich warf mit meinen Kinogöttern Kurosawa, Leone und Peckinpah um mich. Bis dann die Reihe an Bernd kam. Er meinte ganz unverfroren, er habe gehört, dass es an der Filmhochschule Geld und Ausrüstung gebe, um Filme zu drehen, und von beidem wolle er Gebrauch machen. Seine unverschämte Praxisbezogenheit war für uns Kinoidealisten erst einmal eine totale Provokation. Ich hab noch zu den anderen gesagt: »Was für ein Arschloch!« Und in der Mensa, da hat Bernd sich zu mir gesetzt. Wir fingen an zu reden und hörten nicht mehr auf. Da saß ich nun und redete mit dem Arschloch! Da war ein Funke da, der wahnsinnig gezündet hat. Die ganzen drei Jahre an der Filmhochschule war er jeden Tag bei mir in der Studentenbude oder hat angerufen und gefragt: »Was machen wir? Welchen Film schauen wir uns an?« Wenn wir über Filme und Filmstoffe geredet haben, dann war da immer ein großer Friede im Raum, aber auch ein kreativer Abschlag. Es gibt andere Leute, wo die Kreativität ganz schnell zerstört ist. Bernd dagegen hat mich nie ausgebremst.
     
    Drei Tage vor Bernds Tod fuhren wir nachts den Sunset Boulevard entlang. Wir kehrten heim von einem Dinner mit Tom Rosenberg, einem anderen von Bernds langjährigen Freunden. Das Abendessen hatte auch im Cecconi’s stattgefunden, dem Restaurant, wo Bernd wenige Tage später sterben sollte. Gerade bogen wir vom Sunset Boulevard auf den Londonderry Place, wo wir damals wohnten, als mein Handy klingelte. Uli Edel war am anderen Ende der Leitung. Er war zufällig den Sunset Boulevard hinter uns hergefahren und hatte unseren alten schwarzen Mercedes erkannt. So ein Zufall, meinte Uli, ob wir denn nicht noch Lust auf ein Glas Wein hätten? Und so saßen wir an diesem Abend noch zusammen und haben Bernds Lieblingsrotwein Gevrey Chambertin getrunken. Ich habe mich irgendwann verabschiedet und bin ins Bett gegangen. Bernd und Uli saßen noch bis spät in die Nacht und haben über Film geredet. Als Uli schließlich gegangen und Bernd hoch ins Schlafzimmer kam, wachte ich wieder auf und unterhielt mich mit Bernd über den Abend. Wir wunderten uns beide, wie so etwas passieren konnte, dass uns Uli so spät in der Nacht in dieser Millionenstadt begegnet war. Und abergläubisch, wie wir beide nun mal sind, fragten wir uns, welche Bedeutung dieser Zufall hätte. Damals konnten wir keine Bedeutung erkennen. Bernd freute sich nur, dass es Uli offensichtlich gutging und er war glücklich über das schöne Gespräch. Und er war glücklich, einen so guten Freund in Uli zu haben. Falls man an Vorbestimmung oder überhaupt irgendeine Art von Sinn des Lebens glaubt, so war die zufällige Begegnung zwischen Bernd und Uli am Sunset Boulevard so kurz vor Bernds Tod sicherlich ein Geschenk des Schicksals.
    Aber zurück zur Filmhochschule, zurück zum München der frühen siebziger Jahre. Die frisch gegründete Filmhochschule befand sich in einer Villa in Schwabing. Alles war noch ein wenig improvisiert, aber die Stimmung war großartig. Das Feindbild wohnte gleich nebenan, denn im Nachbargebäude befand sich eine erzkonservative schlagende Verbindung. Diesen Saufbrüdern mit ihren Schmissen begegneten die Filmhochschüler nur mit Verachtung. Anders verhielt es sich mit dem Radiosender der US-Truppen, dem American Forces Network, das gegenüber von der Filmhochschule angesiedelt war. Rock ’n’ Roll war zum Greifen nah. Der AFN half gelegentlich aus, wenn die Studenten nach Filmmusik für ihre Übungsfilme suchten. Und das Motto des legendären AFN-DJs Casey Casem, der jahrzehntelang die »American Top 40« moderierte, war auch das Motto, das Bernd später seiner Tochter Nina mitgeben würde: »Keep your feet on the ground and keep reaching for the stars.«
    Das amerikanische Kino spielte eine wichtige Rolle an der HFF München. Der Leiter der HFF Wolfgang Längsfeld, der über Jahrzehnte hinweg den Geist der Filmhochschule bestimmte, hatte eine starke Bewunderung für amerikanische

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