BE (German Edition)
Auto abhaute, weil Bernd sich ihrer Ansicht nach nicht genügend um sie gekümmert hatte. Oder wie Bernd während eines Pink-Floyd-Konzerts in New York in der Carnegie Hall Tränen darüber vergoss, weil ihn die Musik so tief berührte, und sie ihm plötzlich an den Kopf warf: »Lass uns gehen, mir ist langweilig.« Und natürlich die Geschichten über ihre zahlreichen Selbstmordversuche. Das waren keine wirklichen Antworten auf die Frage, warum Bernd Jane so geliebt hat.
Günter Rohrbach beschreibt Jane Seitz als eine sehr »kapriziöse Person« – die ultimative Femme Fatale, die Männer in den Wahnsinn treibt und bei der Leidenschaft vor allem damit zu tun hat, Leiden zu schaffen. Sie war, so Rohrbach, »brutal kokett«. Jane Seitz war einige Jahre älter als Bernd und hatte schon eine Tochter im Teenageralter. Für Bernd war der Altersunterschied nicht so sehr ein Problem wie für Jane. Mit Ende dreißig wollte sie keine lose Beziehung, sondern etwas Festes. In einem Brief vom 13. September 1980 schreibt sie auf sehr klare, dezidierte Weise, dass sie das Gefühl habe, neben Bernd zu verkümmern, weil er sich nicht auf eine Zukunft mit ihr einließ. Sie litt unter den Schattenkämpfen, die sie mit seinen Beziehungsängsten und schlechten Erfahrungen führte. Bernd, der sich gerade von seiner langjährigen Freundin getrennt hatte, konnte Jane nicht geben, was sie wollte und brauchte. Er musste und wollte sich erst einmal frei schwimmen, wollte nicht wieder in eine Beziehung mit Regeln und Abmachungen, über die dann ewig diskutiert wurden. Er wollte nicht, dass sein Leben von einer Beziehung vereinnahmt wurde, er wollte sich nicht über eine Beziehung definieren. Das Kapitel seines Lebens, in dem er sich gerade befand, hatte einen anderen Titel. Zwar verstand Bernd Jane und ihre Bedürfnisse, aber er war unfähig, diese zu erfüllen.
Auftritt: Wolf Wondratschek. Macho-Dichter der Achtziger und Verfasser des Gedichtbands »Die Einsamkeit der Männer«. »Wenn du in den achtziger Jahren einen One-Night-Stand hattest, hat bei den Frauen neben dem Bett fast immer ›Die Einsamkeit der Männer‹ gelegen«, meinte Bernd, als ich ihn fragte, wer denn Wolf Wondratschek sei. Ich hatte nämlich keine Ahnung, weil ich a) in den Achzigern andere Sorgen und b) in den Neuzigern kein Interesse an den Achtzigern hatte. Jane nahm sich also Wolf Wondratschek als zusätzlichen Geliebten. Bernd meinte, er hätte dieses Verhältnis akzeptiert, weil es die Konsequenz seines eigenen Verhaltens gewesen sei. Er hatte Jane mit seinen Bedingungen konfrontiert, also war es nur fair, wenn sie ihre eigenen Bedingungen stellte.
Wenn man sich die Briefe durchliest, die Jane an Bernd über die Jahre hinweg geschrieben hat – Bernd hat sie alle aufgehoben –, so kann man darin ihren Abstieg in den Treibsand der Depression ablesen. Die ersten Briefe sind klare Ansagen. Mit Schreibmaschine getippt. Da schreibt eine kluge, starke Frau, die weiß, wer sie ist, die ihre persönlichen Grenzen zieht und doch bereit ist, in den Abgrund zu blicken. Zunehmend werden die Briefe – auch vom Schriftbild her – aufgeregter, emotionaler, irrationaler. Es ist unklar: Ist das Liebe, die da spricht, oder Verzweiflung? Man weiß nicht mehr: Schaut sie noch in den Abgrund, oder befindet sie sich schon im freien Fall?
Bernd hat Jane irgendwann einen Abschiedsbrief geschrieben. Er ist undatiert, und ich weiß nicht, ob er ihn jemals abgeschickt hat. Aber offensichtlich haben sie sich damals schon viele Jahre gekannt. Und immer noch – wie schon 1980 in Janes Brief – spielt das Thema Gegenwart versus Zukunft die zentrale Rolle. Bernd verstand nicht, wie man den Moment unter Verweis auf die Ewigkeit ruinieren konnte. Wie Janes Brief, ist auch Bernds Brief klar und genau. Es war der Versuch eines Schnitts, der zwar ausgesprochen, aber nicht vollzogen wurde.
Wirklich vorbei war es nie zwischen Bernd und Jane. Auch wenn er andere Beziehungen hatte, das Band zwischen den beiden blieb bestehen bis zu ihrem Tod 1988. Noch 1987, acht Monate vor ihrem Selbstmord, schrieb sie Bernd, dass der Grund, warum sie nicht zu ihrer gemeinsamen Verabredung gekommen war, der sei, dass sie ihn zu sehr liebe. Einen Monat vor ihrem Selbstmord, zwei Tage vor Weihnachten, schreibt sie Bernd, dass sie sich wie ein »Zombie« fühle, dass die »Sümpfe der Traurigkeit« scheinbar unendlich seien. Bernd erzählte, dass er sie, alarmiert durch diesen Brief, kurz vor ihrem Tod noch
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