Beast
werfen sie es in einen gigantischen Fleischwolf. Naomi erklärt mir, dass meine Aufgabe darin besteht, die Pampe, die da rauskommt, in schuhkartongroßen Metallbehältern aufzufangen. Das Fleisch ist rosa wie Erdbeershake und kommt rausgequollen wie Zahnpasta. Ich muss den Deckel auf den Behälter drücken und dann kommen aus den Löchern im Boden Kebabspieße. Ich probiere es und ein bisschen Fleischbrei quillt oben raus und läuft mir in die Handschuhe und auf die Ärmel. Sogar am Haarnetz habe ich das Zeug. Wenn ein Tablett voll ist, gehe ich einen Tisch weiter und spieße auf die Enden jeweils ein Stück Zitrone. Ein paar Leute schauen zu mir rüber, aber niemand kümmert sich groß um mich. Ich stehe neben einer großen Frau mit fleckigen nackten Armen. Sie hat ein rotes, schweißglänzendes Gesicht und ich kann ihre Achselhöhlen riechen. Sie schwitzt! Dabei ist es arschkalt hier drin.
Hätte ich mir doch bloß einen anderen Job gesucht! Von der Kälte fängt mein Zahn wieder an zu kribbeln.
Ein Mädchen ist nur fürs Zitronenschneiden zuständig. Sie macht den ganzen Tag nichts anderes. Sie schneidet von den Zitronen oben und unten ein Stück ab und viertelt sie, dann bringt sie die Schnitze zu den Spießmachern. Das Mädchen hat Stoppelhaare und große, dunkle Augen. Gegen elf gehen alle zur Pause. Ich trabe hinterher und wir gehen hoch ans Tageslicht. Der Zerlegeraum ist im Keller; das war mir gar nicht aufgefallen. Aber als |46| wir in der Kantine sitzen, scheint die Sonne durchs Fenster und die Wärme kriecht mir die Arme hoch und in mich rein. Ich beobachte das Mädchen. Sie sitzt mit ein paar Kolleginnen zusammen, unterhält sich aber kaum mit ihnen. Sie trinkt Kaffee aus einem Styroporbecher und holt einen Schokoriegel aus der Hosentasche. Der Riegel ist offenbar angeschmolzen, denn sie veranstaltet eine ziemliche Sauerei, leckt die Schokolade vom Papier und verschmiert sich den ganzen Mund. Sie merkt, dass ich sie beobachte, und ich schaue weg.
Um halb vier haben die Metzger Feierabend und es wird still. Kein Singen, Rufen und Geklapper mehr. Jemand schaltet auf Radio One um, aber das bringt’s auch nicht richtig. Wir arbeiten noch eine Stunde, dann ist das Zeug im Fleischwolf alle. Eigentlich soll ich bis um fünf arbeiten, aber alle anderen gehen und Naomi hat sich seit der Mittagspause nicht mehr blicken lassen, darum mache ich auch Schluss. Als ich die losen Plastikstreifen ansteuere, die statt einer Tür im Durchgang hängen, fällt mein Blick auf die riesigen Tiefkühltruhen an den Wänden. Ich sehe mich um und probiere, den Deckel der nächstbesten anzuheben. Die Truhe ist nicht abgeschlossen. Ist ja interessant.
Als ich klein war, hat mein Onkel auf dem Schlachthof gearbeitet und immer kiloweise Steaks und Schweinebraten heimgebracht. Seinen Bonus nannte er das.
Draußen bleibe ich kurz stehen und halte das Gesicht in den Regen. Hier draußen ist es wärmer als drinnen, dabei haben wir erst März! Es riecht schön frisch. Ich setze mich ins Auto und sehe zu, wie die Studenten in einen |47| Kleinbus steigen. Das Mädchen ist auch dabei. Hoffentlich ist sie keine Studentin. Hoffentlich hat sie wie ich die Schule abgebrochen.
Ich schaue dem Kleinbus nach und rechne in Gedanken durch, wie viel ich heute verdient habe. Meine Arbeitszeit geht von halb acht bis um fünf, das sind neuneinhalb Stunden, abzüglich einer halben Stunde unbezahlter Mittagspause. Schade, dass ich es nicht länger in der Schule ausgehalten habe. Dann könnte ich das jetzt im Handumdrehen ausrechnen. Es ist echt unglaublich, wie viele Kinderhasser Lehrer werden. Keine Ahnung, wie andere Schüler das aushalten. Schließlich bekomme ich das Ergebnis doch noch heraus, obwohl ich zum Zählen ein paar zusätzliche Finger gebrauchen könnte. Zweiundvierzig Pfund und dreißig Pence habe ich heute verdient. Bingo! Benzingeld für vierzehn Tage! Macht 211 Pfund und fünfzig Pence die Woche. Mal vier macht 846 Pfund im Monat. Ich werde steinreich! Davon kann ich mir ab und zu ein Schwein leisten, außerdem Essen und Miete. Ich brauche nicht auf der Straße zu leben. Ich kann allein für mich sorgen. Das einzige Problem ist, dass ich jeden Tag neun Stunden in diesem Eiskeller verbringen muss. Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe.
Ich fahre nach Hause. Es ist kurz vor fünf und ich bin total geschlaucht, da sehe ich am Straßenrand ein Tier liegen. Ich blende die Scheinwerfer ab, damit es sich nicht erschrickt, aber es rührt
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