Beast
ist ein hübsches Hündchen. Bestimmt findet es bald ein gutes Zuhause. Vielleicht meldet sich ja sogar der Besitzer.«
»Das ist ein Streuner«, widerspreche ich. »Sieh ihn dir doch an.«
Der Hund sieht aus wie eine Kreuzung zwischen Windhund und Bullterrier. Er hat große, feuchte Augen und ist eher kräftig gebaut. Am einen Bein und am Kopf hat er |55| kahle Stellen. Er ist so mager, dass man die Rippen zählen kann, und als er im Garten einen Haufen macht, ringeln sich darin kleine weiße Würmer. Am Rücken, wo ihn das Auto erwischt hat, hat er eine Schramme, sonst fehlt ihm nichts.
»Malackie«, verkünde ich. »Ich nenne ihn Malackie.«
Einer von den Metzgern hat was über einen Typen namens Malackie erzählt. Der Name hat mir gleich gefallen.
»Ach, Stephen«, seufzt Verity. »Gewöhn dich lieber gar nicht erst an ihn.«
Es ist immer dasselbe.
Malackie und ich gehen raus.
Am nächsten Tag gehe ich nicht zur Arbeit. Sollen sie mich doch feuern, das ist mir egal. Ich finde schon einen anderen Job. Als ich dort war, fand ich es nicht so schlimm, aber jetzt ekle ich mich richtig vor der Fabrik. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann wieder Fleisch essen kann.
Malackie und ich fahren zum Stausee. Ein Traktor lässt uns vorbei und ich halte zum Dank den Daumen aus dem Fenster. Der Traktorfahrer ist ungefähr so alt wie ich. Ich würde gern mit ihm tauschen. Dann könnte ich auf dem Riesentrecker von meinem Vater durch die Gegend juckeln, Kühe melken, Schafen beim Lammen helfen, Weizen ernten und mich am Wochenende mit den anderen Jungbauern besaufen. Mein ganzes Leben wäre vorgezeichnet. Der Typ braucht sich keinen Kopf zu machen, dass ihn seine Pflegeeltern rauswerfen und er in einem miesen Wohnheim unter lauter Junkies und Pennern landet.
|56| Wie immer stelle ich den Wagen in der Parkbucht ab, hole den Dachs aus dem Kofferraum und lasse ihn auf den Seitenstreifen fallen. Malackie beschnüffelt ihn und zuckt zurück.
»Hast recht, Kleiner«, sage ich. »Wer will schon so was fressen? Aber was bleibt mir anderes übrig?«
Zum Tragen wickle ich den Dachs in ein paar Müllsäcke. Malackie habe ich einen Strick umgebunden und mir das andere Ende ums Handgelenk gewickelt. Er läuft brav hinter mir her, als ob wir uns schon ewig kennen. Als ich ihn über den Zaun hebe, krallt er sich ängstlich an mir fest. Vielleicht glaubt er, ich würde ihn wie den Dachs einfach rüberwerfen. Wir sind gleich da. Malackie bleibt stehen und pinkelt in die Brennnesseln und ich lege mein Bündel auf die Erde, weil mir die Arme lahm werden. Der Hund schnüffelt wieder an den Müllsäcken und schaut mich ganz komisch an.
Erst als ich mich vergewissert habe, dass niemand in der Nähe ist, schlage ich mich in die Büsche.
Man hört es schon von Weitem platschen. Hoffentlich rastet er nicht wieder aus, wenn er mich wittert. Diese Fütteraktionen werden immer riskanter. Malackie streikt, obwohl ich kräftig am Strick rucke. Er setzt sich hin, stemmt die Hinterbeine in den Boden und klemmt den Schwanz ein. Ich binde ihn an einen Ast und gehe leise weiter. Ich spähe durchs Gitter. Man sieht bloß trübes Wasser, aber ich weiß, dass er da ist und auf mich wartet.
Früher habe ich mich manchmal abends, wenn es dunkel wurde, aufs Dach gelegt und den Umriss im Wasser beobachtet. Als er noch kleiner war, ist er im Becken auf |57| und ab geschwommen. Inzwischen ist er so groß, dass er nur noch dicht unter der Oberfläche liegt und mich beobachtet, wie ich ihn beobachte. Manchmal lässt er sich auch auf den Grund sinken. Einfach so. Eben ist er noch da, dann ist er plötzlich weg. Eines Abends habe ich gesehen, wie er aus dem Wasser und ein Stück am Gitter hochgeklettert ist. Er hat sich brüllend dagegengeworfen. Ich habe mich ein ganzes Stück weggesetzt, aber sogar da war mir noch mulmig, als könnte er durchs Gitter langen und mich unter Wasser ziehen.
Im Käfig regt sich etwas. Flügel. Eine Taube flattert gegen das Gitter. Wie ist die denn da reingekommen? Ich sehe ihr eine Weile zu. Mach schon, Stephen, ermahne ich mich dann, bring’s hinter dich. Ich steige die Böschung hoch und schleife den Dachs hinter mir her. Ich verbiete mir, ins Wasser zu schauen, und klettere mit dem Dachs über der Schulter aufs Käfigdach. Der Kadaver stinkt und ich male mir aus, wie mir das Ungeziefer aus seinem Fell in die Ohren krabbelt. Ich achte darauf, mein Gewicht auf mehrere Gitterstangen zu verteilen, und meide die eine, durchgerostete.
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