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Beast

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Titel: Beast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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Unterhemd ausgezogen und arbeitet mit bloßem Oberkörper. Es ist mir unbegreiflich. Zwischen mir und dem Krokodilmaul kann gar nicht genug Stoff sein.
    Ich lehne mich zu ihm rüber. »Wo bringen wir ihn hin?«, frage ich mit gesenkter Stimme, obwohl Carol die Fenster zugemacht hat.
    »St. Matthew’s.« Eric klappt die Seitenwände der Ladefläche herunter. »In Bexton.«
    Offenbar mache ich ein verdutztes Gesicht.
    »Guter Zugang von der Straße, großer Friedhof, keine Überwachungskameras, unwahrscheinlich, dass so früh jemand da ist.« Eric wischt sich mit dem Arm den Schweiß vom Gesicht. »Und wenn ihn jemand entdeckt, dann höchstens der Totengräber oder der Pfarrer.«
    Eric befestigt an jeder Käfigseite einen Haken. »Und für den Fall, dass er es doch schafft auszubrechen, ist ein solider Eisenzaun um das Gelände.« Er hängt die Ketten ein. »Der ist nämlich von mir.«
    Eric bedient den Hebearm. Die Ketten knarren und es quietscht metallisch. Die Vorrichtung brummt viel zu laut für die frühmorgendliche Stille. Der Käfig hebt schwankend ab. Hoffentlich kriegt das Vieh nicht wieder einen Rappel. Mit angehaltenem Atem beobachte ich, wie der Käfig immer höher schwebt.
    Der Käfig hängt schaukelnd in der Luft und ich muss ihn mit den Händen führen. Einen Augenblick lang |240| schwebt ein lebendiges Krokodil über meinem Kopf, ein Gefühl, das man nie mehr vergisst. Ich weiche immerzu dem Maul aus und fasse den Käfig nur dort an, wo der Schwanz ans Gitter gedrückt wird. Er darf mich nicht sehen. Von unten erkennt man seinen Bauch ganz deutlich, die Füße mit den Krallen und Schwimmhäuten. Die Schuppen an seinem Schwanz werden zur Spitze hin immer kleiner, bilden dicht an dicht ein vollkommenes Muster. Plötzlich habe ich das komische Gefühl, dass doch noch alles gut ausgeht. Noch ein paar Stunden und ich sehe das Vieh nie wieder.
    »Stephen, verdammt noch mal!« Eric ärgert sich, weil ich nur dastehe und hochglotze. Als der Hebearm herumschwenkt, greife ich zu und berühre ihn versehentlich an der Flanke. Außen ist er hart und kalt. Er fühlt sich gar nicht lebendig an. Ich fahre mit dem Finger über seinen Panzer. Ich fass es nicht, dass er mich immer noch nicht gefressen hat. Ich fühle mich schwach und verletzlich. Er würde kurzen Prozess mit mir machen. In meinen Ohren klingelt es. Fast widerstrebend nehme ich die Hand weg. Ich hieve den Käfig über die Ladefläche, er setzt scheppernd auf und der ganze Laster bebt.
    Meine Fingerkuppen brennen wie Feuer.
    Wir fahren über die Wiese mit den Kühen. Die Reifen drehen immer wieder durch, Matsch und Gras spritzen nach hinten weg. Die Kühe sind ein ganzes Stück weiter weg, aber alle wenden uns die Köpfe zu. Sie wissen Bescheid.

    |241| Eric fährt zu schnell. Er redet die ganze Zeit darüber, wie spät es ist und dass wir nicht mehr rechtzeitig am Friedhof sind. Er will, dass wir dort spätestens um sieben wieder wegfahren. Wir kommen bei den Reynolds vorbei und Eric fragt Carol, ob er sie rauslassen soll. Ich glaube, wir machen uns beide Sorgen, weil sie so still ist. Obwohl ihre Kleider nass und verdreckt sind und sie heftig mit den Zähnen klappert, sieht sie ihn an, als hätte er sie nicht alle. Ich würde ihr gern den Arm um die Schulter legen. Das ginge ganz leicht, schließlich quetschen wir uns alle drei auf den Vordersitz, aber ich weiß nicht, wie sie das finden würde. Ich breite ihr Erics Jacke über die Knie. Sie hat nichts dagegen, darum nehme ich ihre Hand und drücke sie fest.
    Ich lasse sie nicht mehr los.
    Kurz vor der Stadt biegt Eric in eine Seitenstraße ab.
    »Wir bringen ihn gar nicht ans Meer, stimmt’s?«, fragt Carol, als Eric aussteigt und die Abdeckplane noch mal festzurrt.
    »Das Meer ist zu kalt. Da stirbt er.«
    »Bis jetzt ist er doch auch zurechtgekommen. In Freiheit ist er besser dran.«
    »Aber er würde nicht ins Meer hinausschwimmen. Er würde am Strand bleiben und Leute fressen.«
    Carol legt die Stirn an die Scheibe und stößt die Luft durch die Zähne. Das kenne ich. Es bedeutet, dass sie wütend ist. Mir wird ein bisschen mulmig. Hoffentlich verwandelt sie sich jetzt nicht wieder in die alte Carol, das können wir jetzt echt nicht gebrauchen. Ich krame die letzten Kekse aus dem Handschuhfach und biete ihr einen |242| an. Sie nimmt ihn und zermalmt ihn energisch. Hoffentlich tut der Zucker seine Wirkung.
    Eric ist wieder da und steht vor der Tür. Sein Gesicht ist schlammverschmiert, er sieht

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