Beast
er wieder. Ich weiß, was das bedeutet. Gleich fängt er an zu randalieren. Aber das Fauchen verstummt. Carol schwenkt den Käfig in die andere Richtung, Erics verbeulter Laster kriegt noch eine Beule.
»Runter!« Der Käfig saust abwärts. »Nicht so schnell!«, rufe ich, aber sie hört mich nicht. Der Käfig rauscht fast im freien Fall abwärts und knallt scheppernd auf den Asphalt.
»’tschuldigung«, sagt Carol.
Ich glaube, ihm ist die Luft weggeblieben, denn er bewegt sich nicht, sondern gibt nur grässliche Quieklaute von sich. Gleichzeitig spüre ich einen heftigen Schmerz in den Rippen, als wäre ich es, der verletzt ist. Dann lässt der Schmerz nach. Ich fürchte, diesmal haben wir ihm schlimm wehgetan. Aber ich kann jetzt nicht nachsehen, wie schlimm, ich muss mich darum kümmern, dass wir schleunigst hier verschwinden.
Ich schnappe mir Erics Werkzeugkasten und eine halb volle Limoflasche und laufe zum Fiesta der Putzfrau.
Ich kippe die Limo auf die Erde und krame fieberhaft nach einem passenden Werkzeug. Schließlich greife ich zu Hammer und Meißel. Carol sieht völlig verschreckt aus, deshalb sage ich ihr, sie soll sich wieder in den Laster setzen, wo ihr nichts passieren kann.
|250| Hör mal, ich bin kein Musterknabe, okay? Ich habe schon seit Jahren keinen Benzintank mehr angebohrt und ich hatte es auch nicht noch mal vor, aber jetzt bin ich verdammt froh, dass ich weiß, wie’s gemacht wird. Jemandem den Tank anzubohren ist eine ziemlich linke Tour. Der Fahrer steigt ins Auto und kann sich nicht erklären, wieso es nicht anspringt. Erst der Mann vom Pannendienst kommt schließlich drauf. Tut mir leid, sage ich zu dem Auto. Ich bin ganz gelassen. Es tut gut, sich zur Abwechslung mal mit irgendwas richtig auszukennen.
Ich liege halb unter dem Auto, als ich es scheppern höre, und haue mir beim Aufrichten übel den Kopf an. Der Käfig schwankt hin und her. Mein Kleiner hat sich wieder in den Maschendraht verbissen. Gleich dreht er sich. Ich sitze da, Benzin gluckert mir über die Hose und ich bin wie gelähmt. Er tobt wie ein Irrer. Er stößt ein lautes Gebrüll aus. Es klingt furchterregend, wie von einem Löwen. Bloß dass sein Gebrüll noch dumpfer ist, es ist der dumpfste, schaurigste Laut, den ich je gehört habe. Er schlägt mit dem Schwanz und der Käfig kippt um. Er wälzt sich herum, bis er wieder auf allen vieren steht, und beißt wieder in den Draht. Ich vergewissere mich, dass Carol noch im Laster sitzt, und sehe, wie sie sich die Nase an der Heckscheibe platt drückt und große Augen macht. Zum Glück habe ich den Schlüssel eingesteckt. An ihrer Stelle wäre ich weggefahren.
Er wirft sich nach hinten und die Klappe fliegt scheppernd auf. Ach du Scheiße – offenbar haben sich die Bügel gelöst, als uns der Käfig runtergedonnert ist. Er hat noch nicht begriffen, dass er rauskann, und wirft sich weiter gegen |251| die Seitenwände. Der Käfig überschlägt sich immer wieder und kommt auf mich zugerollt.
Es ist nur eine Frage der Zeit, dass er rauskriecht, aber ich stehe da wie eine Salzsäule. Ich bin starr vor Entsetzen wie in einem Albtraum. Es geht alles so schnell, dass ich nicht mitkomme. Ich kann nur zusehen. Irgendwie schafft er es, den Käfig aufzurichten. Von wegen schwer verletzt! Er tobt wüster denn je. Der Käfig kippt krachend um.
Er ist nicht mehr drin.
Stumm sehe ich zu, wie er mit aufgerissenem Maul auf mich zugerannt kommt, mir die dicken gelben Zähne und den blutigen Rachen präsentiert. Am liebsten würde ich einfach in Ohnmacht fallen, aber so läuft das bei mir leider nicht.
»Selby!«, rufe ich, als er mich anspringt und umwirft. Er schleift mich über den Parkplatz, aber ich spüre nichts.
Der Himmel ist grau. Aus dem Augenwinkel sehe ich die halb volle Limoflasche mit Benzin. Es ist genug drin, um einen Brand zu entfachen, der ihn in die Flucht schlägt, aber das kommt jetzt nicht mehr infrage. Es ist aus.
Ich wehre mich nicht mehr. Wo er wohl zuerst zubeißt? Bestimmt am Kopf, den kann er mir im Handumdrehen abreißen. Oder vielleicht am Arm. Er ist schon ewig scharf drauf, mich zu fressen, seit er damals mein Blut gekostet hat, als ich ihn von Dads Garage in den Pumpenkäfig verfrachtet habe. Bestimmt hat es ihn wahnsinnig gemacht, dass ich so oft ganz dicht an ihm dran war, wo er doch weiß, wie ich schmecke, wie warm und lecker mein Blut ist. Dem Ziel seiner Wünsche so nah zu sein und doch nicht ranzukommen!
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Ein Vorgeschmack aufs
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