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Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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stehen, und greife nach meinem Mantel, den ich über die Lehne des Schreibtischstuhls gehängt habe. Er fühlt sich wegen des Geldbeutels in der Tasche schwer an. Ehe ich aus der Tür stürme, schnappe ich mir noch schnell Madame Bovary vom Tisch.
    Als ich den menschenleeren Place de Ternes erreiche, bin ich ganz außer Atem. Es ist so kalt, so still. Ich ziehe meinen Mantel enger um mich und verfluche den plötzlichen Kälteeinbruch, der von den meisten, die auf weiße Weihnachten hoffen, sehnlichst herbeigewünscht wurde.
    Ich blicke nach Südwesten hinüber, zum beleuchteten Are de Triomphe. Nur wenige Autos befahren den Kreisverkehr. Die Champs-Elysee in der Ferne sieht ebenfalls seltsam verlassen aus. Sogar die Restaurants und Bars sind geschlossen. Östlich von hier liegt der Parc de Monceau, aber auch sein hohes Eingangstor ist nachts verriegelt. Wo kann ich hin? Es ist Weihnachten. Die meisten aus meinem Programm sind über die Feiertage in die USA geflogen, wie zum Beispiel Sara-Louise und Mary, oder mit ihren Gastfamilien im Urlaub. Die, die in Paris geblieben sind, schlafen jetzt tief und fest.
    Ich habe versucht, ganz allein klarzukommen, und versagt. Die Hautverbrennung, die Schürfwunde am Knie, die Erinnerung an das zerrissene Kleid, als mich Mme. Marquet vom Ball der Lafontants weggescheucht hat. An M. Marquets schleimige Zunge an meinem Ohr, an seine Hand, mit der er mich so brutal geschlagen hat, als er nicht bekam, was er wollte.
    In Paris kann ich unmöglich bleiben.
    Ich brauche Annabel; sie würde mir jetzt helfen, mich beschützen. Mir fehlen ihre Intelligenz und ihr Mut.
    Ängstlich und verunsichert ziehe ich Madame Bovary aus der Tasche. Innen steckt die Bildpostkarte, die Jay mir im Louvre-Museumsshop gekauft hat. Es ist ein Selbstporträt von Jean Auguste Dominique Ingres. Ich drehe sie um und schreibe schnell eine kurze Nachricht darauf.
    Ich kann nicht - ich werde nicht - zurückblicken, während ich den Boulevard de Clichy entlanglaufe. In den frühen Morgenstunden des ersten Weihnachtstages bin ich die Einzige auf der Straße - undenkbar für Paris bei Tag. Die Stadt ist ungewöhnlich ruhig. Nur meine Schritte hinterlassen Spuren im frisch gefallenen Schnee.

25. ZACK Gute Freunde sind selten
    Ich vergesse, meine Vorhänge zuzuziehen, als ich an Heiligabend schlafengehe. Am folgenden Morgen fällt heller Sonnenschein in mein Zimmer und ich kann sehen, dass eine dicke weiße Schneeschicht meine Straße vom St.-Lambert- Platz auf der einen Seite bis hin zur Rue de Lecourbe auf der anderen bedeckt.
    Mireille und Paul sind absolute Leseratten. Anders als andere Kinder sind sie an Weihnachten nicht schon beim ersten Morgengrauen wach. Gestern Abend haben wir alle unsere Schuhe an den Kamin gestellt, damit Pere Noel sie mit Geschenken und Süßigkeiten füllen kann. Romy und Jacques sind mit meinen Gastgeschwistern und mir in La Messe de Minuit gegangen. Erst um zwei, als bereits dicke Schneeflocken fielen, sind wir aus der Mitternachtsmette nach Hause gekommen. Romys Eltern und weitere Familienmitglieder haben uns zur La Reveillon besucht, einer gigantischen Heiligabend-Feier, die dauerte, bis das erste Licht über den Horizont kroch. Die ganze Familie wird wahrscheinlich bis zum frühen Nachmittag im Bett liegen.
    Da ich nicht mehr einschlafen kann, stehe ich auf und gehe zum Fenster. Lange sehe ich auf den Schnee hinaus. Ich denke an Weihnachten, an meine Familie daheim und wie weit sie weg sind. Durch die Zeitverschiebung ist es dort noch früher als hier. Meine Mom wird sicher die ganze Nacht  wach gewesen sein und Geschenke eingepackt haben. Mein kleiner Bruder Freddie und meine kleine Schwester Heather werden um fünf Uhr morgens zum Weihnachtsbaum rennen, aber mein Dad wird ihnen verbieten, die Geschenke auszupacken, bis Mom und er die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vom Anfang bis zum Ende vorgelesen und alle gemeinsam gebetet haben. Eines der Kinder wird die Geschenke zu schnell aufreißen oder versuchen, die Reihenfolge zu überspringen, mein Dad wird sie anschreien, dass sie langsamer machen und daran denken sollen, dass Gier eine Sünde ist. Wenn das dann alles vorbei und es Zeit für die Kirche ist, ist meine Mom so gestresst, dass sie alles Mögliche fallen lässt - die Pancake-Pfanne, den Krug Orangensaft -, und mein Dad ist so weit, dass er den ganzen Feiertag am liebsten vergessen und sich ein Spiel im Fernsehen anschauen möchte. Meine Tanten und Onkel und Cousins

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