Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
und Alex oft in der Mittagspause und nach der Schule antrifft.
Die Franzosen gehen mittags alle zum Essen nach Hause. (Ein weiterer Grund, warum keiner von uns bis jetzt wirklich die Chance hatte, sie kennenzulernen ... Dazu kommt, dass sie uns aus dem Weg gehen, als würde es irgendwie auf sie abfärben, dass wir so gewöhnlich und nicht so gehoben sind.) Ein paar Amerikaner, wie Jay und einige seiner Freunde, aber auch George, Drew und ihre Anhänger essen in diesem Fast-Food-Kebab-Laden an der Hauptstraße, dem Boulevard de Courcelles. Der Rest von uns teilt sich zwischen dem einen oder anderen trüb beleuchteten Cafe beim Parc de Monceau auf.
Die meisten Amerikaner, die in der noblen Umgebung der Schule wohnen (so wie ich), gehen ebenfalls nach Hause, aber heute habe ich mal Lust auf ein Pariser Cafe. Dieses mag ich am allerliebsten, denn hier fühlt sich jeder Tag wie ein gemütlicher Regentag an: Im Cafe ist es dämmrig und ein wenig düster-melancholisch, mit kleinen roten Votivkerzen. Die Luft ist erfüllt vom Dampf der Heißgetränke und dem köstlichen Geruch der Hähnchen, die sich hinter der Bar am Grill drehen. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich am liebsten nur faul herumsitzen und die Atmosphäre genießen würde. Anscheinend färbt Paris auf mich ab.
»Ach, Mme. Rouille redet fast überhaupt nicht mit mir!«, sage ich stöhnend. »Und wenn, dann immer auf Englisch. Wie soll ich denn je lernen, ganz normal und frei zu sprechen, wenn wir nur mit unseren Lehrern und anderen Amerikanern französisch reden?«
Die Kellnerin hat schon vor Längerem unser Geschirr abgeräumt. Wir drei breiten uns auf dem Tisch aus und schauen träge in unsere Französischbücher. Was wir wirklich mal üben sollten, ist das Plusquamperfekt, da uns diese Zeitform irgendwie allen nicht ganz klar ist. Was wir allerdings fleißig die ganze Zeit üben, ist die jahrhundertealte Kunst des französischen Müßiggangs.
»Ich weiß. Es ist so frustrierend«, sagt Zack. »Zum Schluss habe ich sie einfach ganz direkt gebeten, mit mir bitte nur französisch zu reden.« Zack wohnt, genau wie Alex, bei einer französischen Familie, die auf gemeinsame Abendessen besteht. Alex und Zack haben jüngere Geschwister in ihren Gastfamilien, die sie aber eigentlich überhaupt nicht interessieren. Zack weiß wenigstens noch ihre Namen. Alex nennt ihren kleinen Gastbruder nur »le Morceau de Merde« - das Stück Scheiße.
»Meine Familie ähnelt Trollen«, erzählt Alex mit gelangweilter Stimme Zack und mir. »Es ist einfach nicht rauszukriegen, was für eine Sprache sie sprechen. Englisch? Französisch? Wer weiß? Sie brummein einfach alle hirnlos vor sich hin.« Sie trinkt einen Schluck von ihrem schaumigen Cafe Creme.
»Alex, du solltest mal versuchen, sie ein bisschen besser kennenzulernen«, dränge ich sie. »Darum bist du doch schließlich hier: um zu sehen, wie die Franzosen leben!«
»Schätzchen, ich weiß, wie die Franzosen leben«, entgegnet Alex gereizt. »Ich bin eine. Mein Vater ist hier aufgewachsen. Und meine Mutter hat hier ihre wichtigsten Lebensjahre verbracht und lebt nun den frankophilsten Lebensstil, der in New York überhaupt möglich ist. Schon vergessen?«
Zack kichert. »In nicht allzu ferner Zukunft, Alex, werden wir alle uns so französisch fühlen wie du. Ich persönlich kann mich kaum noch daran erinnern, wie echter Barbecue schmeckt - keine Ahnung, ob ich mich überhaupt noch Tennesseeaner nennen darf!«
»Na, ich kann nicht behaupten, dass es mir leidtut, das zu hören«, zieht ihn Alex frech auf. »Ich werde es echt vermissen, wenn du nicht mehr über gebratene Okra und Kenney Chesney redest - es war ja so aufregend, alles über dein Leben auf der Farm zu erfahren!« Die beiden kichern sich verschwörerisch zu und ich muss wieder daran denken, wie verblüffend es ist, dass sie sich erst ein paar Wochen kennen. Alex und Zack scheinen sich beide so mühelos in Paris eingelebt zu haben. Sie sprechen fast nie über zu Hause, es sei denn, sie machen sich darüber lustig, was manche geschmacklosen Amerikaner aus Spaß an der Freude gerne tun.
Und ich? Ich kann irgendwie nicht aufhören, an zu Hause zu denken - ob es Vince wohl an der Uni gefällt, wie meine Mom ohne mich zurechtkommt und vor allem an Brian. Noch habe ich keinem von meinem Bruder erzählt und wie schrecklich es für mich ist, so weit weg von ihm zu sein. Ich würde schon gern drüber reden, aber ich möchte die anderen nicht runterziehen
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