Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
darfst niemals mit ihnen reden. Hast du mich verstanden?«
»Aber sie haben mich fotografiert!«
»Ja«, sagt Mme. Marquet mit Verbitterung in der Stimme. »Keine Ahnung, warum.«
Ich nicke. Ich habe das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Die Marquets sind Personen von öffentlichem Interesse. Wenn sie herausfinden, wer ich wirklich bin und was meine Familie getan hat, werden sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.
»Braves Mädchen«, sagt M. Marquet, tätschelt mir den Kopf und schiebt mich zu Marie hinüber. »Und jetzt geh mit Marie los. Zerbrich dir nicht mehr den Kopf über diese dummen Männer.«
Marie läuft mit mir eilig den Gang entlang und zu einem alten Kombi, der in der Garage steht. Ich helfe ihr dabei, auf dem Markt am Rathausplatz einzukaufen und Gemüse für das diner auszusuchen. Als wir ins Chateau zurückkehren, freue ich mich darauf, mit den Marquets zu essen, aber wie sich herausstellt, speisen sie bei Freunden. Ich bin nicht eingeladen. Unwillkürlich frage ich mich, ob sie mir absichtlich aus dem Weg gehen, ob ich sie irgendwie beleidigt habe. Glauben sie etwa, ich hätte im Wohnzimmer herumschnüffeln wollen?
Es stimmt schon, ich kann nicht erklären, warum mich dieser Raum angezogen hat, denke ich beim Einschlafen, oder warum ich wusste, dass jemand hereingeschaut hat. Aber es war nicht so, dass ich mich heimlich umsehen wollte.
Am darauffolgenden Morgen läuft Mme. Marquet in der Küche an mir vorbei. Sie trägt einen raffinierten Morgenmantel mit Zobelsaum.
»Penelope«, sagt sie, deutlich herzlicher als gestern. »M. Marquet muss ohne dich ausgeritten sein. Komisch, dass er nicht gewartet hat. Er muss wohl gedacht haben, du hättest kein Interesse.«
Ich bin völlig durcheinander. »Wirklich? Aber wieso?«
»Hmm, keine Ahnung«, entgegnet Mme. Marquet. »Hast du Lust, mit mir oben Tee zu trinken? Ich muss mich für einen Brunch fertig machen, zu dem wir im Chateau der Lafontants eingeladen sind. Es ist für uns von großer Bedeutung, dass sie uns wohlgesonnen sind.«
»Einen Tee hätte ich sehr gern«, sage ich zu ihr und folge ihr ins Zimmer. Mme. Marquet hat wie in ihrem Pariser Apartment auch hier ein großes Ankleidezimmer, in dem sie sich ausgehfertig macht. Auf dem Schminktisch stehen lauter Fläschchen, Puderdöschen, Bürsten und Pinsel sowie Stifte aufgereiht. Ich pfeife leise angesichts der schieren Menge an Kosmetika, die sie hat.
»Setz dich«, befiehlt sie mir und deutet auf einen leeren Stuhl gegenüber vom Bett. Ich nehme mir eine Tasse mit Untertasse vom Tablett und gieße mir selbst etwas heißen Tee mit Zitrone ein. Das hilft gegen das ewige Frösteln, das ich in diesem großen alten Haus irgendwie nicht loswerde.
Mme. Marquet entspricht dem, was die Franzosen jolie- laide nennen: »pretty ugly«. Das heißt, dass ihrem breiten Gesicht, ihrem ausgeprägten Überbiss und ihren tief liegenden Augen eine gewisse Schönheit innewohnt, die weit mehr ist als die Summe ihrer Einzelteile. Viele französische Adelige haben dieses Aussehen, wie ich beim Durchblättern der alten Paris-Match-Ausgaben im Pariser Apartmerit der Marquets festgestellt habe. Madame wie Monsieur Marquet haben beide starke Ähnlichkeit mit den alten Gemälden, die in französischen Geschichtsbüchern abgedruckt sind mit ihren mittelalterlich empfindsamen Gesichtern. Obwohl sie keine natürliche Schönheit ist, nimmt Mme. Marquet ihre Bürde eindeutig sehr ernst.
»Ich habe es nicht so leicht wie eine natürliche Schönheit wie du, Penelope«, kommentiert Mme. Marquet, der mein Blick auf all ihre Schminke und Parfüms nicht entgangen ist. »Das brauche ich alles.« Sie macht mit dem Kajalstift eine ausladende Geste.
Angesichts des Kompliments schüttle ich den Kopf. Mme. Marquet hat ein Aussehen und ein Auftreten, das ein Mädchen wie ich nie imitieren könnte: selbstsicher, elegant, etabliert. Neben ihr fühle ich mich wie eine Landpomeranze, die auf eine Weide gehört, wo ich den Pferden den Dreck aus den Hufen kratze.
Eine Zeit lang sehe ich zu, wie Mme. Marquet sich schweigend fertig macht, unsicher, warum sie mich überhaupt zu sich gebeten hat.
»M. Marquet ist also der Magistrat in Perigueux?«, frage ich, um ein Gespräch anzufangen,
»Oui«, antwortet Mme. Marquet. »Seine Stelle ist in dieser Region von großer Bedeutung.«
»Oh«, sage ich.
»Und diese Region wiederum ist in Frankreich von großer Bedeutung«, fährt Mme. Marquet fort.
»Denkt er denn wirklich
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