Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
hinter sich bringen. Aber doch nicht so verzweifelt.
»Hör auf damit, Alex«, sage ich. Ich schaue mich um, um mich zu vergewissern, dass keiner ihre Bemerkung über meine Vorliebe für Jungs mitbekommen hat - oder ihre Anspielung auf meine Jungfräulichkeit. »Es ist ja schließlich nicht so, als hättest du George schon klargemacht. Wir stehen also beide noch bei null.«
»Ach, ist das jetzt also ein Wettbewerb, ja?« Alex knetet ihr lockiges, wildes schwarzes Haar vor dem Spiegel in der Diele. Ich betrachte mein eigenes Spiegelbild: Meine Haare sind wie immer leicht verstrubbelt. Ich lasse sie hier in Paris ein bisschen länger wachsen. Heute Abend trage ich meine Brille, ein hippes dickes schwarzes Gestell mit viereckigen Gläsern. Das perfekte Accessoire für die kleine karierte Weste, die ich über eines meiner durchgeknöpften Hemden und meine Lieblingsjeans gezogen habe.
Bevor die Party richtig losgeht, machen wir noch eine kurze Besichtigungstour durch Sara-Louises Unterkunft. Die dauert allerdings nicht lange. Sara-Louise wohnt nämlich in einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in einer uninteressanten Wohnsiedlung mit lauter identischen Wohnungen. Aber egal, wie wenig Charme diese Wohnung hat - heute Abend ist das hier der angesagteste Ort überhaupt. Es ist die erste Privatparty des Jahres!
Sara-Louises Gasteltern verbringen das Wochenende in Brügge. Ihre achtzehnjährige Tochter, die ebenfalls ins Lycee geht, und Sara-Louise haben somit sturmfrei. Wir waren peinlich früh da. Sara-Louise und ihre Gastschwester Anouk waren gerade noch dabei, den Käse und die Cracker anzurichten und den ganzen Alk, den sie extra für die Party gekauft hatten, in den Kühlschrank zu räumen. Aber egal, es wäre sinnlos gewesen zu versuchen, Alex davon abzuhalten, heute Abend so früh herzukommen. Sie wollte keine einzige Sekunde der Feier verpassen.
Wir hocken an Sara-Louises winzigem Küchentisch auf kleinen Schemeln und Alex nutzt die Ruhe vor dem Sturm, sich entweder darüber lustig zu machen, dass ich so prüde bin, oder vor dem Spiegel zu posieren. Sie sieht heute Abend ganz ungewohnt konservativ und ordentlich aus, in einem weißen Polohemd, einem dunklen Jeans-Minirock und einer grünen Militärjacke aus Segeltuch von Marc Jacobs. An den Füßen hat sie hellgelbe Jack-Purcell-Turnschuhe. Anscheinend denkt sie, dass der Weg zu Georges Herz mit Klamotten zu erobern ist, und zwar indem sie sich genauso anzieht wie seine Mitschüler aus dem Internat in New England. Trotzdem sieht Alex umwerfend aus. Wie immer.
»Du könntest echt in einer Seifenwerbung mitspielen«, sage ich zu ihr. »George wird ganz hin und weg sein.«
»Ja? Glaubst du echt?«, fragt Alex und trinkt einen Schluck Weißwein aus einem richtigen Glas. Sie hat darauf bestanden, dass Sara-Louise ihr ein richtiges Glas gibt und keinen der Plastikbecher, die sie und Anouk eigentlich für die Party gekauft hatten. Sie probt im Spiegel ihren verführerischsten Blick. »Ich bin zu allem bereit. Drück mir die Daumen!«
Genau in diesem Augenblick kommt eine große Gruppe Franzosen auf der Party an - Anouks Freunde. Sie stellen die Musik lauter und sehen uns Amerikaner wütend an. Aber Alex strahlt bloß zurück - was würde sie nicht dafür geben, auch nur mit einem von ihnen befreundet zu sein, um wenigstens einen Franzosen zu ihrer Fangemeinde zählen zu können. Auch ich wünsche mir sehnlichst, mich mit ihnen anzufreunden. Aber sie sind einfach was Besseres und das wissen sie auch.
»Teeeexxaaas!«, dringt da plötzlich ein wilder, fast schon barbarischer Schrei vom Eingang herüber. Die Zwillinge.
Ich drehe mich zu ihnen um, total entsetzt über den fürchtbaren Krach, dem meine armen Ohren ausgesetzt sind. Mitten im Türrahmen stehen Patty und Tina, aufgedonnert mit bauchfreien, schlauchförmigen schwarzen Oberteilen, dazu passenden A-linienförmigen Mini-Röcken und bunten Perlenkettchen ä la Mardi Gras. Wie man es von Tina gewohnt ist, trägt sie einen cheerleadermäßig hohen Pferdeschwanz und Pattys Haare sind um ihr kleines Gesichtchen in Außenwellen aufgeplustert wie bei Farrah Fawcett. Übrigens die einzige Möglichkeit, wie man die Zwillinge auseinanderhalten kann: Sie tragen zwar jeden Tag das gleiche Outfit, aber immer unterschiedliche Frisuren. Mit Champagnerflaschen in der Hand posieren beide wie Rockstars in der Tür, so, als würde gerade eine Gmppe Paparazzi sie fotografieren. Sie werden von deutlich mehr Partygästen mit lautem
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