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Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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die Fußball-Tabellen, die sie sich heute  Morgen auf ESPN.com angeschaut haben. Tja, gibt es ein tolleres Thema?
    »George«, unterbreche ich ihn. »Freust du dich auch schon auf Le Corbusier?«
    »Auf was?« George und Drew sehen mich beide verständnislos an.
    »Sainte-Marie de la Tourette«, rufe ich ihnen in Erinnerung und akzentuiere genüsslich jedes einzelne Wort, um zu zeigen, wie gern ich französisch spreche. »Das Kloster, in das wir heute Vormittag fahren?« Eigentlich freue ich mich gar nicht so sehr auf den Ausflug in die Umgebung von Lyon, aber George soll ruhig merken, dass ich die französische Kultur sehr ernst nehme - schließlich habe ich französisches Blut in mir!
    »Ach ja, das Schweigekloster«, sagt George, dem es offenbar wieder eingefallen ist. »Glaubst du, du kommst damit zurecht?«
    Anscheinend müssen in dem Kloster, das wir heute besichtigen, die dort lebenden Mönche ein Schweigegelübde ablegen.
    »Auf gar keinen Fall«, antwortet Drew an meiner Stelle, trommelt leise mit den Fingern auf dem Tablett herum und schaukelt dabei auf seinem Stuhl vor und zurück. »Ich wette um zehn Euro, dass sie im Kloster nicht mal zehn Minuten lang die Klappe halten kann.«
    Gereizt blicke ich Drew an. »Die Wette gilt«, sage ich impulsiv. Es ist echt ungeheuerlich, was Drew von mir hält! Ich bin vielleicht kontaktfreudig und natürlich auch wahnsinnig interessant. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass ich eine Menge zu sagen habe!  Drew hört mit seinem Getrommel auf und schüttelt meine Hand, um die Wette zu besiegeln. »Du musst schweigen, sobald wir angekommen sind, und dann die ganze Besichtigung hindurch, bis wir wieder in den Bus steigen. Deine Erfolgschancen sind gleich null, Quasselstrippe.«
    »Das werden wir ja sehen«, sage ich. Einer Herausforderung konnte ich noch nie widerstehen.
    »Pater Marie-Alain Couterier hat Le Corbusier 1956 gebeten, dieses Kloster mit Kreuzgang zu entwerfen.« Mlle. Vaillands Geschwafel wird mithilfe des Lautsprechersystems im Bus verstärkt, während wir über die bewaldeten Hügel nach Eveux-sur-Abresle unweit von Lyon fahren, wo La Tourette liegt. »Le Corbusier hat weltweit viele namhafte Gebäude erbaut, unter anderem das UN-Hauptquartier in New York. Das Kloster ist ein schönes Beispiel für die spätmoderne Architektur. Seht es euch genau an, mes etudiants. Ich sage euch, es ist ein Meisterwerk.«
    Als wir höher hinaufkommen, sehe ich einen tristen Betonbau, der mich eher an eine alte Williamsburg-Fabrik erinnert als an eine heilige Stätte. Das Kloster ist mir ziemlich egal, aber mir gefällt die Vorstellung, dass George und Drew die ganze Besichtigung über in meiner Nähe bleiben, um zu überprüfen, ob ich auch ja nicht rede. Mit etwas Glück können George und ich uns mal kurz davonstehlen ...
    Dagegen gefallt mir gar nicht, wie Drew hinten gegen meinen Sitz trommelt. Aber ich kann ihm leider nicht sagen, dass er aufhören soll. Im Moment darf ich ja nicht reden.
    Wie erwartet, weicht mir Drew nicht von der Seite und wird von George, der uns amüsiert beobachtet, angefeuert. Um mich zu einer Antwort zu verleiten, stellt mir Drew den ganzen Vormittag lang dämliche Fragen.
    »Aber über all das hier weißt du sicher sowieso nichts, oder Alex? Ich meine, du hattest ja bisher, bevor du nach Paris gekommen bist, ziemlich wenig Berührung mit der französischen Kultur«, ärgert mich Drew nach dem endlosen Vortrag von Mlle. Vailland über die Rolle der katholischen Kirche im französischen Alltag. »Hast du nicht gesagt, du würdest gern mehr über die französische Lebensart wissen?«
    Drew weiß natürlich ganz genau, dass ich eine Kennerin und Liebhaberin der französischen Lebensart bin und dass von allen aus dem Programm ja wohl ich diejenige bin, die schon den meisten Kontakt mit Franzosen hatte. Na ja, abgesehen vielleicht von Cory aus Denver, der französische Eltern hat - beide Elternteile sind Franzosen -, die mit ihm in den Staaten leben. Trotzdem bin ich hier im »Programme Americaine« die Expertin für französische Kultur.
    Natürlich lasse ich mich nicht in die Falle locken, selbst als er das Kloster beleidigend »Saint Marie des Tourette-Syn- droms« nennt. Was für ein Blödmann!
    Die hier lebenden Mönche dürfen anscheinend tatsächlich nicht reden, aber von allen Besuchern heute bin ich offenbar die Einzige, die ein Schweigegelübde abgelegt hat.
    Wie sich ziemlich schnell herausstellt, gibt es allerdings eine Schwierigkeit:

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