Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
mit den edlen Stoffen in den prächtigen Farben durch.
»Echt?«, fragte PJ.
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete ich mit beißendem Spott. »Also bitte! Meine Mom arbeitet schließlich für die Luxe. Wenn man ihren begehbaren Kleiderschrank betritt, ist das so, als würde man im Bergdorf Goodman in der Fifth Avenue stehen, nur noch viel, viel toller.«
Ich faltete einen dunkelgrünen Pullover aus Seide-Kaschmir-Gemisch von Tehen auseinander und hielt ihn vor mich hin. Der sah so aus, als würde er mir wahnsinnig gut stehen.
»Alex, bitte!«, bremste mich PJ. »Es reicht!«
»Jetzt mach mal halblang.« Immer dieser Vorwurfston, also echt! »Es war doch nur einmal ein Kleid!«
In diesem Augenblick klingelte das altmodische Telefon am Bett der Marquets.
»Oh Gott, das sind sie wahrscheinlich«, stöhnte PJ. »Ich bin gleich wieder da. Sei bitte ganz still, sie sollen nicht mitbekommen, dass jemand hier ist.« Sie sauste zum läutenden Telefon. »Und nimm ja nichts weg!«
»Mach ich schon nicht«, sagte ich feixend. »Wie oft muss ich dir das noch sagen?« Ich wollte nur schnell die Yves-St.Laurent-Sandalen anprobieren, die ich auf dem Schuhregal erspäht hatte.
Als ich nach ihnen griff, blieb eine Sandale mit dem Riemchen an einer Einkaufstüte hängen, die jemand hinter das Regal gestopft hatte. »Na na na«, sagte ich leise vor mich hin, während ich mir halb den Kopf verrenkte, um in die Tüte zu spähen, die voll mit Seidendessous von La Perla war. »Nein, wie skandalös!«
Mme. Marquet scheint eine Schwäche für Negliges aller Arten und Farben zu haben, alle mit dazu passenden Tangas - oder vielleicht hat ja auch M. Marquet diese Schwäche. PJs Gastmutter ist anscheinend ziemlich gewieft! Sie muss sich hier einen Vorrat für die ganze Saison angelegt haben. Sicher würde sie es gar nicht merken, wenn ich mir ein oder zwei mitnahm. Da waren über 20 Garnituren drin, alle noch mit dem Preisschildchen dran! Und Gott weiß, dass ich mir keine neue sexy Unterwäsche leisten kann. Jedenfalls nicht mehr.
Also steckte ich zwei Negliges - von den vielen, vielen in der Einkaufstüte - in meine große Tragetasche, zusammen mit den dazu passenden Tangas.
»Alex?«, sagte PJ, als sie zurück in den begehbaren Kleiderschrank kam. »Alles in Ordnung? Es war so ruhig, dass ich schon dachte, der Anblick der vielen Kleider wäre vielleicht zu viel für dich geworden und du seist umgekippt.«
»Nein, mir geht's gut«, antwortete ich und schwang mir die Tragetasche über die Schulter. »Aber jetzt mache ich mich besser auf den Weg. Danke für dein Verständnis wegen des Kleids.«
Auf dem Nachhauseweg knabberte ich an meinen Nagelhäutchen und ruinierte mir dadurch schon wieder meine Maniküre. Die ganze Zeit musste ich daran denken, wie sauer PJ sein würde, wenn sie es je herausfinden sollte. Aber dann fiel mir die Ming-Vase wieder ein und ich war beruhigt: Wenn ich sie daran erinnerte, würde sie bestimmt all meine Geheimnisse hüten.
Inzwischen schlafen sicher alle schon. So leise wie möglich klettere ich aus meinem Stockbett und schlüpfe im Dunkeln aus meinem Thermo-Shirt und den -Shorts. Als ich auch meinen weißen Baumwollschlüpfer ausziehe, stehe ich einen köstlichen Moment lang fröstelnd in der kalten Luft, ehe ich mir das weiße Seidenneglige über den Kopf ziehe. Auch der Tanga sitzt wie angegossen.
Mit der Schlüsselkarte, die ich Zack heute Vormittag bei der Bustour aus der Geldbörse stiebitzt habe, schleiche ich mich leise in den Schlafsaal der Jungs. Dort gehe ich auf dem kalten Linoleumboden auf Zehenspitzen von Bett zu Bett, um herauszufinden, in welchem George liegt.
Ah, wie gut: Er schläft unten. Ich blicke im Mondlicht auf ihn hinunter. So eingemummelt in seinem Schlafsack, sieht er fast aus wie ein Kind.
Alex, hat meine Mom einmal zu mir gesagt, es gibt nichts Besseres als den Anfang einer Beziehung - da ist alles noch so vielversprechend, man ist voller Hoffnung und Erwartungen, nimmt nur das Beste von dem anderen an und kennt noch keine verletzten Gefühle oder Wut. Wenn du Glück hast, setzte sie hinzu, dann ist es das, woran du dich erinnerst, wenn es vorbei ist. In meinem Inneren führe ich einen kleinen Dialog mit ihr - mit meiner Mom, die, wie alle immer sagen, genau wie Juliette Binoche aussieht. Wenn du Glück hast, entgegne ich ihr im Geiste, wenn du es geschickt anstellst, ist es nie vorbei.
Ich entferne die Klammern aus meinen Haaren - ich hatte sie zurückgesteckt - und
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