Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
schüttelt mich ab. »Lass mich in Ruhe.«
»Aber Zack.« Meine Stimme klingt schrill. »Jay hat mich doch gar nicht gehört! Niemand hat das.«
In diesem Augenblick fährt mit einer mehr als einstündi- gen Verspätung bebend der TGV in den Bahnhof ein.
»Das ist egal«, sagt Zack und tritt näher an den Zug heran. »Was zählt, ist, dass er es hätte hören können, und das hättest du niemals wiedergutmachen können.«
Bevor wir in den Zug steigen, tippt mir George auf die Schulter.
»Ja?«, sage ich und sehe ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Die Kränkung und die Scham, die ich heute seinetwegen erlebt habe, sitzen tief. Ich will nur noch in den Zug einsteigen, beruhigende Musik über meinen iPod hören und schlafen.
George drückt mir eine Packung Gauloises und ein Gratis- Streichholzbriefchen aus dem Laden, wo er die Zigaretten gekauft hat, in die Hand. »Für all die Zigaretten, die ich bis jetzt bei dir geschnorrt habe!«, erklärt George, als ich ihn fragend anschaue. »Ich wollte nicht, dass du denkst, ich würde nicht meinen Beitrag leisten für unser kleines Arrangement.« Er drückt mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn. »Na, wer sagt's denn? Sieht so aus, als könnten wir endlich einsteigen. Bis später, Al.«
Wir betreten den Zug, alle abgeklärter und reifer als zu dem Zeitpunkt, als wir am Freitag in Paris an Bord gegangen sind. George setzt sich Patty und Tina gegenüber, die identische neue Opa-Strickjacken mit Ellbogenschonern tragen.
Die Sache ist die: Ich kann diese Zigaretten wirklich gut gebrauchen! Zigaretten machen nämlich einen der vielen Kosten-Posten aus, die mein Konto im Augenblick so schnell leer räumen. George hat mir also nicht nur efwas geschenkt - es war auch noch etwas, was ich wirklich gut gebrauchen kann!
Olivia lässt sich neben mich fallen. Sie war noch am Bahnhof am Internetstand, um ihre E-Mails zu checken, und ist hinterhergekommen.
»Alex!«, verkündet sie atemlos und umarmt mich aufgekratzt. »Gerade ist etwas Irres passiert! Ich habe meine E-Mails gecheckt - erinnerst du dich an den Tag, als ich trotz meiner Verletzung getanzt habe? Obwohl ich es eigentlich noch nicht durfte? Da war ein Talentscout vom Paris Underground Ballet Theatre da, du weißt schon, die Kompanie vom linken Seine-Ufer, von der du mir erzählt hast. Deine Mom hat sie sich während der Frühjahrsmodenwoche letztes Jahr angesehen.«
Ich kann ihr nicht wirklich folgen. »Ja, und? Was ist passiert?«
»Die Agentin der Tanztruppe - die, die an dem Tag, als ich getanzt habe, obwohl ich es nicht sollte, in meine Klasse gekommen ist - sie hat mir gemailt! Sie wollen mich für die Truppe! Sie wollen mich dafür bezahlen, dass ich tanze! Und ich habe nicht mal gewusst, dass jemand zuschaut, der uns begutachtet, weil ich damals ja zu spät gekommen bin, und dabei bin ich nie zu spät! Die Agentin wollte wissen, warum ich nach dem Vortanzen so schnell verschwunden bin!«
»Oh, Olivia!« Ich gratuliere ihr. »Das ist ja der Wahnsinn!« Ich freue mich wirklich für sie.
»Ja, nicht?«, kichert sie, dann zögert sie. »Um genau zu sein, habe ich zwei E-Mails bekommen. Eine von der Agentin und eine von meiner Mom.«
»Was hat deine Mom geschrieben?«, frage ich erschrocken. Bitte keine Briefbombe.
»Na ja, irgendwie sind es gute und schlechte Nachrichten zugleich«, sagt Olivia. »Sie - meine ganze Familie - kommt zu Weihnachten zu mir zu Besuch.«
»Wirklich?«, frage ich. »Ich dachte, du wolltest heimfahren, nach Kalifornien.«
»Ja, dachte ich ja auch«, sagt Olivia und starrt ins Leere. »Und das wollte ich auch. Ich habe das Gefühl, schon eine Ewigkeit nicht mehr mit Vince geredet zu haben, so richtig. Ich habe mich so gefreut, mich mal wieder leibhaftig mit ihm zu unterhalten.«
Darüber sinniere ich kurz nach, dann frisiere ich mit den Händen ihren Pony. »Liwy, denk jetzt nicht an Vince. Du bist gerade von einer wichtigen Tanzkompanie engagiert worden! Das ist unglaublich! Meine Mom wird sich so für dich freuen!« Das heißt, falls sie je auf meine Anrufe reagieren sollte...
»Ja, es ist unglaublich, oder?«, sagt Olivia und lächelt jetzt wieder. »Lass uns Zack suchen. Ich will's ihm auch gleich erzählen!«
»Nein, geh du mal allein«, entgegne ich. Ich will ihr nicht eingestehen, dass Zack und ich noch immer Stress haben. Sie würde sich deswegen nur zu viele Sorgen machen und es würde ihren großen Augenblick überschatten. »Ich halte dir den Platz
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