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Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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untergebracht und die Tänzer und Tänzerinnen dort sind so verrückt angezogen, wie ich es im Ballett noch nie gesehen habe. Einer der Männer trägt sogar ein Tutu! Und anders als die Primaballerinas, mit denen ich in der Opera getanzt habe, hat kein einziges Mädchen ein langärmeliges Trikot an. Die meisten tragen überhaupt keine Trikots - nur ihre Sport-BHs und Strumpfhosen.
    Der Choreograf, der für das heutige Training zuständig ist, hat einen silbernen Lidstrich und einen Irokesenschnitt. Als er die Hebefigur zeigt, die er am Ende der Kombination möchte, schnappt er sich mich und hebt mich hoch in die Luft. Dabei fasst er mir resolut in den Schritt. Auch wenn die Berührung überhaupt nichts Erotisches an sich hat, laufe ich knallrot an, bis hinunter zum Halsausschnitt meines neuen schwarzen Lycra-Tanzkleids.
    »Bienfait - gut gemacht«, sagt der Choreograf, als er mich wieder absetzt. »Tolle Haltung. Denk nur dran, mit dem hinteren Bein eine klare Arabesque zu bilden. Wirklich schöne Arme.«
    Durch sein Lob schwebe ich geadezu nach Hause.
    In letzter Zeit ist Thomas wieder ziemlich oft im Apartment, um auf die Klausuren am Semesterende zu lernen, aber bisher war ich immer genau dann, wenn er da war, in der Schule. Hoffentlich ist er jetzt noch da! Eilig stürme ich durch die Wohnungstür, um ihm von meinen tollen Neuigkeiten zu berichten.
    Aber Thomas ist schon weg - er ist zum Übernachten wieder in das Studentenwohnheim zurückgefahren. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich so schnell nach Hause gelaufen bin, um ihm zu erzählen, wie toll meine neue Kompanie ist. Ich bin nicht zur nächstbesten Telefonzelle gestürmt, um Vince oder meine Eltern anzurufen, sondern ich wollte es Thomas erzählen.
    Um ehrlich zu sein, habe ich meinen Eltern und Vince noch gar nichts von dem Paris Underground Ballet Theatre gesagt. Aber lange werde ich es nicht mehr hinauszögern können.
    Am Samstagmorgen bin ich schon vor dem Weckerklingeln wach. Ich habe so ein komisches Gefühl im Bauch. Während ich noch im Bett liege, frage ich mich, wie ich es überhaupt aushalten soll, dass meine Familie für zwei ganze Wochen nach Paris kommt. Wenn wir am Freitag den Final Comp geschrieben haben, ist das Schulhalbjahr zu Ende, und in der darauffolgenden Woche werden wir alle, mitsamt Brian, hier in Paris Weihnachten feiern. Mme. Rouille, die mit Thomas über die Feiertage in die Alpen fährt, hat mir sogar erlaubt, dass wir die Bescherung in ihrer Wohnung machen können, unter dem Weihnachtsbaum, den ein Dekorateur in ihrem Auftrag aufgestellt hat, während ich in Lyon war.
    Ich liebe meine Familie. Ich habe sie vermisst. Warum graut es mir dann so davor, sie zu sehen?
    Ich denke an den Mann mit dem Irokesenschnitt, Henri, und daran, dass ich meinen Unterricht in der Opera-Schule abgebrochen habe, ohne es meiner Mom zu sagen! Da haben wir's: Es ist das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich den Wünschen meiner Mutter zuwiderhandle.
    Als die Sonne langsam in das Fenster des kleinen Zim- merchens scheint, stehe ich auf und mache mich fertig, um sie vom Charles-de-Gaulle-Flughafen abzuholen. Ich überlege mir sehr genau, was ich anziehe, weil ich ihnen aus irgendeinem Grund beweisen möchte, dass ich eleganter sein kann als nur mit meinen Jeans und Pumas. Ich nehme die schwarze Flatfront-Hose aus Wollstoff heraus, die ich bei Zara gekauft habe, die mit den weiten Beinen und der seitlichen Knopfung im Seemannstil. Dazu ziehe ich einen cremefarbenen Pullover aus Angora-Wolle-Gemisch an, den ich bei Le Bon Marche gefunden habe. Ich föne meine Haare und glätte sie sorgfältig. Ob meiner Mom wohl auffallen wird, wie sehr man meinen dunklen Ansatz sieht und wie schlimm meine Spitzen gespalten sind?
    Vor einer Weile waren Alex und Zack mit mir in der berühmten Galeries Lafayette und haben mir die Nylon- Longchamp-Taschen mit den braunen Ledergriffen gezeigt. Ich habe mir, sehr zu Alex' Begeisterung, eine leuchtend gelbgrüne Tasche ausgesucht. Sie hat ziemlich viel Geld gekostet, aber wenn sie mir über der Schulter hängt, fühle ich mich einfach so französisch.
    Letzte Woche war ich dann noch mal allein dort, in der Schuhabteilung, und habe alles durchgesehen, ehe ich mich für ein Paar schlichter schwarzer Stiefel mit einer schmalen abgerundeten Spitze entschieden habe. Mit dem Mantel, den Handschuhen, die ich mir bei H&M gekauft habe, und dem Chenille-Schal fühle ich mich wie ein ganz anderer Mensch als noch zu dem Zeitpunkt,

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