Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
Beifahrersitz herunter und bewundert sich selbst in dem kleinen Spiegel. »Und sie ist wirklich süß!«
Es dämmert bereits, als wir endlich im centre ville, dem Stadtzentrum, ankommen, und Jay ist ganz geschäftig. Er findet einen Parkplatz, bei dem wir zwanzig Euro für die gesamte Nacht zahlen - für Silvester ein wahres Schnäppchen. Kaum haben wir geparkt, zieht Jay seinen schönen schwarzen Mantel über und wickelt sich einen Schal um den Hals. Bevor wir außer Haus gegangen sind, hat er sich noch umgezogen und trägt nun die eleganteren Kleider, die er auch am ersten Tag unserer Reise getragen hat.
Bei Jay kommen einem manchmal fast die Tränen, so gerade und aufrichtig ist er!
»Hey, Jay«, sage ich, als er den Wagen abschließt. »Es ist richtig, dass wir das tun. Das weißt du doch, oder?«
Er seufzt nur. »Habt ihr meine Handynummer?«
Alex und ich nicken.
»Gut, also ich werde mit diesem Foto in mehrere Hotels und Restaurants gehen und überall fragen, wer sie gesehen hat. Ich rufe euch an, wenn's Zeit ist, um uns wieder zu treffen und das Auto zu holen.«
»Jay!«, rufe ich. »Willst du denn an Silvester gar nicht mit uns zusammen sein?« Ob er gemerkt hat, wie aufgeregt Alex und ich wegen heute Abend waren, aus Gründen, die nichts mit PJ zu tun haben?
»Oh«, sagt Jay. »Doch, schon. Ich habe nur gedacht, dass wir bessere Chancen haben, wenn wir uns aufteilen. Wir kommen dann mehr rum. Aber vielleicht habe ich bis dahin PJ ja schon gefunden. Und wir können alle gemeinsam das neue Jahr einläuten.«
»Wunderbar. Du rufst uns also an?«, frage ich. Jay runzelt die Stirn, nickt, dreht sich dann um und verschwindet in einer Menge Touristen, die in der »Ville Rose« - in der »Rosa Stadt« - herumspazieren.
Alex wirkt wie vor den Kopf gestoßen.
»Wir kommen auch ohne ihn klar«, erkläre ich ihr. Ich komme auch ohne ihn klar, wiederhole ich in Gedanken. Ja, das werde ich! »Hast du Lust auf Tapas?« Die Küche in Toulouse soll angeblich stark von Spanien, das ja nur ein kleines Stück weiter südlich liegt, beeinflusst sein.
Alex rückt ihre Mütze zurecht, während sie in die Richtung schaut, in die Jay gerade verschwunden ist. »Ja, jetzt, wo du's sagst, habe ich sogar totale Lust darauf.«
Nach mehreren Gängen knusprigem Toast mit pfeffrigem Käse und Schinken, dazu gegrillten Tomaten und Oliven, ganz zu schweigen von ein paar Flaschen rotem Hauswein, ist mir fast schwindelig vor Freude, in Toulouse zu sein. Die Straßen füllen sich langsam mit Feiernden, die voller Vorfreude auf das neue Jahr, auf einen Neubeginn, viele Kracher anzünden. Vor Aufregung beschleunigt sich mein Puls.
Alex ist ein bisschen still, aber wie immer macht sie sich mit ungezügeltem Appetit über das Essen her - und schlürft ihren Wein.
»Hast du gedacht, dass wir hier ins neue Jahr feiern würden?«, frage ich sie.
»Überhaupt nicht«, sagt Alex. »Ich bin natürlich davon ausgegangen, dass ich um Punkt Mitternacht George direkt unter dem Eiffelturm küsse, wenn nicht gar unsere Verlobung bekannt gebe.«
»Willst du mir eigentlich nicht erzählen, was wirklich zwischen euch passiert ist?«
Alex zuckt mit den Schultern. »Nichts. Das ist ja genau das Problem.« Ob sie nun endlich damit rausrückt? »Ich glaube, er steht jetzt auf Patty.«
Dass George sich für Patty interessiert, war schon eine ganze Weile ziemlich offensichtlich. Das hatte Alex aber bisher nicht abgeschreckt.
»Es ist also vorbei? Echt jetzt? Du wirst dich nicht mehr an ihn ranmachen?«
»Nein«, sagt Alex, tunkt ihr Brot in Olivenöl und streut Meersalz und Chilistückchen obendrauf. »Ich bin über ihn hinweg.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
»Und was ist mit dir? Magst du Jay immer noch?«
»Nein«, lüge ich, denn ich werde dafür sorgen, dass es nicht mehr allzu lange eine Lüge bleibt. »Ich bin bereit, neue Jungs kennenzulernen. Gleich heute Abend!«
»Wo?«, lacht Alex.
»Ich habe da was gefunden, wo wir hingehen könnten ...« Vorhin habe ich im Internet nach ein paar interessanten Plätzen und Sehenswürdigkeiten für Schwule in Toulouse gesucht. »Vielleicht ist heute ja die große Nacht. Wenn sich alle um Mitternacht küssen ...«
»Mehr brauchst du gar nicht zu sagen«, meint Alex. »Dann mal los!«
Toulouses stilvollster Schwulenklub heißt Suggestion, und es geht dort ziemlich gesittet zu, vor allem wenn man bedenkt, dass Silvester ist. Von außen sieht der Klub aus wie ein schickes Restaurant mit
Weitere Kostenlose Bücher