Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
schummriger Beleuchtung, ein paar schönen Theken aus Eiche und einigen netten, gemütlichen Sofas. Ich bin bisher noch nie in einem Schwulenklub gewesen, aber ich stelle zu meiner eigenen Überraschung fest, dass ich erwartet habe, irgendwelche Kerle, die in Käfigen tanzen, und Kellner im Lederdress zu sehen.
Der Eintrittspreis ist angemessen und wir geben einem Typen (vollständig und geschmackvoll bekleidet) am Eingang ein Trinkgeld, damit er unsere Mäntel zusammen verstaut, sodass wir ohne Ballast herumschlendern können.
Der Dancefloor beginnt, sich mit jungen, attraktiven Männern zu füllen, und obwohl die nicht auf Frauen stehen, steuert Alex schnurstracks auf die Mitte des Floors zu. Der DJ, der heute Nacht auflegt, ist sagenhaft und mischt funkige Salsa-Beats mit Popsongs und Hiphop-Refrains. Ich hole uns zwei Wodka-Tonic an der Bar und gehe damit zu Alex.
Ich fühle mich so frei und unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Zwar komme ich mir wie ein Idiot vor, dass ich in einem Schwulenklub mit einem Mädchen tanze, aber ich kann trotzdem nicht aufhören zu lachen. Ich bin kein superguter Tänzer, aber was mir an Begabung oder Technik fehlt, mache ich mit Charme wieder wett. Ich kann den Roboter, den Rasenmäher und hier und da auch jazzig die Hände bewegen. Was mir an diesem Klub gefällt, ist, dass ich mich vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben damit gut fühle, ein solcher Idiot zu sein.
Nach einer Stunde, in der ich Alkohol getrunken und wie wahnsinnig getanzt habe, bin ich so durchgeschwitzt, dass mein graues T-Shirt ganz schwarz aussieht. Außerdem glitzere ich überall, weil Alex dauernd diese Tanzbewegungen macht, bei denen sie sich an mir reibt, sodass sich ihr Schimmerpuder auf meinen Kleidern und auf meiner Haut verteilt. Es gucken schon Typen zu uns rüber. Vielleicht fragen sie sich ja, ob sie meine Freundin ist, dann schauen sie näher hin und kommen zu dem Schluss, dass ich schwul bin. Ob das für die Leute überhaupt offensichtlich ist, auch wenn ich es, so gut es geht, zu verbergen versuche? Ist es offensichtlich für die Gäste in Klubs, für meine Lehrer, meine Eltern oder Wildfremde? Wenn es so offensichtlich ist, wie es sich anfühlt, wieso verschwende ich dann eigentlich überhaupt so viel Zeit und Energie darauf, es unter Verschluss zu halten?
Toulouse ist toll, schreibe ich Pierson. Tanze mit total heißen Typen!
Bist ein Hengst, kommt es von Pierson sofort zurück. Heute ist die Nacht der Nächte. Wildes Knutschen ist angesagt!
Genau in diesem Augenblick meldet sich Alex' BlackBerry und ich lese Jays Worte: Er will uns in einer Bar ein Stück die Straße hinunter treffen, beim Place Saint-Sernin. Irgendwie bin ich enttäuscht - wir haben doch gerade so viel Spaß.
»Soll ich Jay schreiben, dass er stattdessen hierherkommen soll?«, ruft Alex mir über die Musik hinweg zu.
»Neeeeeein.« Ich schüttle den Kopf. »Ich will ihn nicht hier haben. Das würde ihn zu sehr befremden.«
»Bist du denn bereit, von hier wegzugehen?«, fragt sie.
»Geh du ruhig ohne mich.« Ich mache eine scheuchende Bewegung mit der Hand. »Ich schreibe euch später eine SMS.«
»Echt? Es ist wirklich okay für dich, wenn ich jetzt gehe?«
»Klar. Viel Spaß! Bis dann.« Und damit stürme ich wieder auf die Tanzfläche zurück.
Die Musik wird immer schneller und rhythmischer und zieht mehr und mehr Typen auf die Tanzfläche.
Alle zu mir her!
Ich brauche nicht mal mehr Alkohol. Ich möchte einfach nur noch tanzen, nicht nur heute Nacht, sondern für immer. Alle drücken und reiben sich aneinander, heiß und verschwitzt und gierig darauf, berührt und umhergewirbelt zu werden. Alle lächeln, schließen die Augen, spüren die Musik und haben das Gefühl, dass es schön ist zu leben.
Ein Typ an der Bar nimmt Blickkontakt zu mir auf und lächelt mich scheu an. Er tanzt nicht, und in meiner vom Tanz ausgelösten Euphorie halte ich ihn erst kurz für Jay. Vielleicht hat Alex ihn ja mit hergebracht, denke ich für den Bruchteil einer Sekunde und erschrecke, dass Jay mich nun hat tanzen sehen, als wäre ich auf Drogen. Aber als mir klar wird, dass es jemand ist, den ich gar nicht kenne, bin ich enttäuscht, dass es nicht Jay ist.
Ich höre auf zu tanzen und wende mich von dem lächelnden Typen ab.
Mein Magen verkrampft sich. Jay. Wenn Jay doch nur schwul wäre! Warum habe ich den ganzen Herbst überall diese Signale empfangen, diese Zuversicht gespürt, während er doch die ganze Zeit hetero
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