Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
ich. Karten für das Nationalballett kosten ein Vermögen, selbst mit Schülerermäßigung. »Das wäre toll. Merci, Mme Rouille.«
»Bon.« Angesichts dieses Ausblicks sieht Mme Rouille fast wie ein junges Mädchen aus. Thomas und ich kichern.
»Es hat total Spaß gemacht, an Silvester aufzutreten«, erzähle ich ihnen. »Das Publikum hatte so eine Energie und die anschließende Feier war natürlich auch supertoll, aber ...«
»Mais?«, fordert mich Mme Rouille zum Weiterreden auf.
»Aber zu wissen, dass meine Freunde nicht dabei sein konnten, das war natürlich schon krass - schade, meine ich. Echt schade. Und dass PJ noch immer nicht aufzufinden ist und vielleicht zum neuen Schulhalbjahr nicht ins Lycée zurückkommt, das hat mich schon etwas abgelenkt.«
»Aber dafür waren deine neuen Freunde da«, hebt Thomas hervor. »Sie waren total begeistert!«
»PJ?« Mme denkt kurz nach. »Wer ist PJ?«
»Sie haben sie schon kennengelernt. Sie hat doch zu Beginn des Schuljahres eine Zeit lang hier gewohnt, ist dann aber bei den Marquets untergekommen -«
»Sie ist was?«, unterbricht mich Mme Rouille. »Dieses wunderschöne Mädchen lebt bei den Marquets?«
»Ja, wussten Sie das gar nicht?« Mme Rouille mischt so sehr in den Angelegenheiten des Lycée mit. Ich war mir sicher, dass sie weiß, wo alle Amerikaner untergebracht sind. »Erinnern Sie sich nicht? Sie haben mir doch erzählt, dass M. Marquet mal ein Amt auf Staatsebene bekleiden möchte?«
»Ich glaube schon ... na ja, das habe ich dir wohl erzählt.« Mme Rouilles Gesicht verdüstert sich. »Aber ich dachte, euer Freund würde bei ihnen wohnen.«
»Oh nein, das war PJ. Aber ich glaube, als Sie sie kennengelernt haben, hat sie sich Ihnen als Penelope vorgestellt.«
»Und du hast also auch einen Freund namens PJ, der ein Junge ist?« Mme Rouille ist verwirrt.
»Nein, keine zweite PJ, es gibt da nur noch einen Jay«, erkläre ich. »Die beiden Namen klingen sehr ähnlich! Ich habe darüber noch nie nachgedacht.«
»Oh«, sagt Mme Rouille und nimmt einen großen Schluck
Rotwein aus ihrem Glas. Sie sieht seltsam aufgewühlt aus, und ich kann nur hoffen, dass ich nichts gesagt habe, was sie irgendwie beleidigt oder gekränkt hat.
»Olivia, es gibt da etwas, das ich dir erzählen muss. Über diese PJ. Ich fürchte ... ich fürchte, deine Freundin schwebt in größerer Gefahr, als du ahnst!«
14 · PJ
Drei sind einer zu viel
Ich knalle die Badezimmertür hinter mir zu und suche fieberhaft nach etwas, womit ich mich verteidigen kann. Ich drehe den Wasserhahn auf. Vielleicht kann ich ihn ja mit heißem Wasser verbrühen.
Wer ist der Mann?
»Penny Lane?«, höre ich Annabel über das Wasserrauschen hinweg rufen. »Bist du da?«
Ich drehe das Wasser ab. »Annabel?«
»Pen, was machst du da drin? Willst du Marco denn gar nicht kennenlernen?«
»Wer ist Marco?«, will ich wissen. Ich weigere mich noch immer, die Badezimmertür zu öffnen.
»Ähm, der Mann, vor dem du gerade weggelaufen bist.« Ihr Lachen prallt an der Badezimmertür zwischen uns ab. »Komm schon! Mach auf!«
Zögernd öffne ich die Tür.
»Brav«, gurrt Annabel. Sie hat sich zwei seitliche Zöpfe geflochten, so als wäre sie ein kleines Mädchen. Sie nimmt meine Hand. »Dummchen. Das ist Marco. Ich brenne schon darauf, dass ihr beide euch endlich kennenlernt!«
Marco ist ein mittelgroßer bärtiger Mann, so jung wie Annabel, auch wenn er wie ein Flüchtling aus den Vierzigern gekleidet ist: Er hat eine alte, seltsam geschnittene Hose und eine zu kleine Weste über einem weißen bauschigen Hemd an. Er trägt flache Schuhe, ähnlich wie in den Buster-Keaton- Filmen, die mein Dad sich nachts immer gern angesehen hat, wenn er nicht schlafen konnte. Wie bei einem Clown stehen Marco die dunklen Haare in langen wilden Locken vom Kopf ab. Er zwinkert mir zu.
»Wer ist Marco?«, bohre ich nach. Ich starre ihn direkt an, versuche, keine Angst aufkommen zu lassen und cool zu bleiben. »Im Ernst, wer sind Sie?«
Marco sieht mich spitzbübisch an und legt affektiert eine Hand auf sein Herz. »Je m'appelle Marco Pena. Je suis originaire de Sevilla.« Jetzt, mit Annabel in der Nähe, hat sich sein grimmiges Zähnefletschen in ein breites Grinsen verwandelt.
»Er ist Spanier, aus Sevilla.« Das sagt Annabel halb flüsternd, halb kichernd, als wäre es ein wunderbares Geheimnis. »Ist das nicht toll?«
Noch immer trage ich nur mein mintgrünes Spitzennachthemd, das mir Annabel geliehen hat.
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