Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
wieder unter die Augen treten soll. Wo soll und kann ich hin, wenn die Ferien vorbei sind?
Lautlos weine ich an Jays Brust, während wir an einer Ampel in der Nähe des Hotels auf Grün warten. Der Regen wird stärker und prasselt laut auf die Dächer. Langsam bilden sich um unsere Füße herum und im Rinnstein kleine Pfützen, sodass meine cremefarbenen Plateaupumps aus Wildleder völlig durchweichen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße brandet das Mittelmeer gegen die Hafendocks und durchnässt den Sandstrand. Während das Unwetter näher kommt, werde ich das Gefühl nicht los, dass ich mich wohl diesmal nicht so einfach aus dem Schlamassel ziehen kann. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keine Überlebensstrategie, keinen Plan.
Als Jay schließlich die Tür zu unserer Suite aufschließt, sind wir beide nass bis auf die Knochen und zittern. Jay nimmt sich ein paar frische Handtücher, die das Hotelpersonal in unserer Abwesenheit hingelegt hat. Rasch zieht er sich seinen durchweichten Pulli und das T-Shirt aus, dann rubbelt er meine Haare trocken und lässt mich die Nase am Handtuch abreiben.
»Alex, Alex, schschsch, ist schon gut«, sagt er sanft und drückt mich an seine nun nackte Brust. »Ist schon gut.« Er schiebt mich kurz ein Stückchen von sich weg und blickt mir in die Augen. »Was ist los? Warum weinst du immer noch? Alles wird gut.«
Ich sehe mich hektisch in der Suite um, die genau so ein Durcheinander ist wie mein Leben.
»Nein, wird es nicht«, sage ich kopfschüttelnd. Aus irgendeinem Grund geht es mir durch sein Mitgefühl nur noch schlechter. Ich wünschte, Zack wäre hier. Er würde kurz mit mir weinen, aber dann würde er lachen und mir sagen, ich solle mich zusammenreißen. Er würde mir einen Gin aus der Minibar reichen und einen schlechten Film anschalten.
»Zack ...«, heule ich. »Zack ist weg. Mein Vater ist weg. Wenn du PJ findest, bist du auch weg ...«
Nun schluchze ich so stark, dass ich nicht weiß, ob er überhaupt noch ein Wort von dem verstehen kann, was ich sage.
»Das mit dir und Zack kommt schon wieder in Ordnung, Alex ...«, beruhigt Jay mich. »Jetzt setzen wir uns am besten erst mal hin und bestellen uns einen Tee beim Zimmerservice ...«
Ich lasse mich auf das weiche Kingsize-Bett fallen und vergrabe mein Gesicht in dem seidig glänzenden Kissen aus ägyptischer Baumwolle. Jay legt sich neben mich und streicht mir über die Haare, bis ich an nichts mehr denke und ein tiefer Schlaf mich umfängt.
Am nächsten Morgen wache ich auf dem Rücken liegend auf, die Haare seitlich ans Gesicht geklatscht. Die Sonne leuchtet am Himmel und schickt ihre hellgelben Strahlen durch die Balkontüren. Jay schläft mit dem Kopf auf meiner Brust, die Arme auf meinem Bauch.
Wie bei einem Baby sind Jays Lippen entspannt und leicht geöffnet. Ab und zu entweicht ihm ein tiefes, leises Seufzen. Ich kuschle mich tiefer in die Decke und rutsche näher an die Wärme heran, die von Jays Körper ausgeht.
Jay reagiert, noch immer schlafend, indem er sein Gewicht verlagert und mich noch enger an sich zieht. Ich kann seine nackte Brust an meinem Arm fühlen. »Schsch«, sagt er. Er versucht, mich nach meinem Zusammenbruch am Vorabend noch immer zu beruhigen.
Ich sehe auf seine geschlossenen Augenlider und wünsche mir, dass sie sich öffnen. Fast könnte ich seine Wimpern mit den Lippen streifen, dazu bräuchte ich nur ein kleines Stückchen näher zu rücken ...
Jays Kopf hebt sich, noch immer mit geschlossenen Augen. Mit angehaltenem Atem spüre ich, wie sein Mund auf mich zukommt, während er anscheinend langsam aufwacht. Er atmet ganz leise. »Alex ...«
Ich fühle mich fiebrig, als wäre jeder Nerv in meinem Körper hellwach. Ich schließe die Augen, schlucke und warte auf den Augenblick, wenn Jay mich endlich küsst. Ich kann schon sein stoppeliges Kinn auf dem meinigen fühlen, seine Hände, die meinen Rücken umfassen und mich näher zu ihm ziehen. Sein Körper ist so warm, scheint so perfekt zu meinem zu passen. Meine Atemzüge sind nur noch flach.
Als ich die Augen öffne, zucken Jays dunkelbraune Augen über mir. Er grinst ein kleines bisschen - vielleicht ist er nervös.
»Ich kann das nicht«, flüstere ich plötzlich. Meine Lippen prickeln von dem Kuss, auf den sie so sehnlichst warten. Mein Körper streckt sich seinem entgegen, aber ich kann es nicht tun, nicht wenn ich daran denke, wen ich damit verletze - wen ich damit schon verletzt habe.
»Alex? Was ist
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