Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
vorne, er rutscht und schliddert auf dem glatten Stein der Brücke, die noch feucht vom geschmolzenen Schnee ist. Die Amsterdamer müssen früher kleiner gewesen sein, denn Bobby fällt über das Geländer und stürzt mehrere Meter tief in den Kanal hinein. Das geschieht alles mit einer so rasenden Geschwindigkeit, dass ich noch vollauf damit beschäftigt bin, nicht selbst das Gleichgewicht zu verlieren, als ich schon das Platschen höre. Sofort blicke ich hinunter: Gerade taucht er mit dem Kopf voran in das eklige Wasser, das so braun ist wie Bobbys Parka.
»Oh mein Gott! Bobby!«, rufe ich. Was habe ich nur getan? Bobby ist gerade kopfüber in drei Jahrhunderte altes Brackwasser, vermischt mit Ölschliere und Abfall, geplumpst!
Ich renne von der Brücke zum Grachtenufer hinunter und springe hinterher. Das Wasser fühlt sich glitschig und schmierig an, als es unter meinem schweren Mantel und meiner Jeans an meine Haut dringt. Fest presse ich meine Lippen zusammen, sodass nichts in meinen Mund gelangen kann, und schwimme so schnell wie möglich. Als ich mit dem Fuß den weichen Untergrund des Kanals berühre, wird mir klar, dass ich im Wasser stehen kann. Es reicht mir nur bis zur Taille.
Platschend und planschend ziehe ich Bobby an Land, während sich auf der Brücke bereits eine riesige Menschenmenge versammelt hat und fragt, ob alles in Ordnung ist. Bobby schiebt mich von sich weg.
»Es tut mir so leid, Bobby!«, rufe ich. »Wirklich, so leid!«
Mit verschmierten Gesichtern stapfen wir halb taumelnd zurück in die urigen Backsteinpflastergassen Amsterdams.
»Puh, ich hab's ja verstanden, Mann«, sagt Bobby, während er sich den Dreck aus dem Gesicht wischt. »Ein kleiner Wink hätte genügt - es war doch nicht nötig, mich gleich ins Wasser zu stoßen!«
»Bobby, ich hab dich doch nicht -« Der winterliche Wind, der an meinen nassen Hals dringt, lässt mich erschaudern.
Kopfschüttelnd stampft Bobby davon. Dabei zieht er eine Wasserspur hinter sich her. »Finde selbst nach Hause. Wir sehen uns später.«
22 • ALEX
Schein und Sein
»Verstehst du denn nicht, Livvy?«, frage ich Olivia, als sie, Thomas und ich am Morgen am winterlichen Ufer von Cannes entlangspazieren.
Das Meer könnte nicht blauer sein. Intensiv glitzert es in der Wintersonne. Ich ziehe mir meine Fellmütze tiefer über die Ohren und wickle meinen pinkfarbenen Angoraschal fester um mich herum, an den Stellen, an denen die kalte Luft noch an meine Flaut dringen kann. Olivia und Thomas haben ihre Wollmäntel nicht zugemacht, als wäre es überhaupt nicht kalt. Nur weil die Sonne herausgekommen ist, haben sie anscheinend das Gefühl, der Frühling wäre schon ausgebrochen. Und damit sind sie nicht allein. Nach dem Unwetter vor zwei Nächten ist die Sonne mit voller Kraft zurückgekehrt, und Touristen aus aller Welt machen gerade das Gleiche wie wir an diesem Morgen: Sie schlendern die Uferpromenade am Wasser entlang, bewundern die luxuriösen Jachten, die den Winter über hier vor Anker liegen, und bücken sich, um den weichen Sand zu berühren, der vom Regen in der letzten Nacht noch feucht ist. Aber mir, mir wird irgendwie nicht richtig warm. Nicht mehr seit gestern, als ich unter Jay aufgewacht bin, fröstelnd und schläfrig und ängstlich, was wir vielleicht zusammen tun würden.
»PJ geht es gut«, fahre ich fort. »Und selbst wenn nicht, will sie unsere Hilfe nicht. Sie möchte die Sache selbst regeln. >Vergiss mich.< Wie viel deutlicher soll sie denn noch werden?«
»Wie kannst du dir da nur so sicher sein?«, entgegnet Olivia. Sie hat ihre Augenbrauen zusammengezogen. Sie kann einfach nicht loslassen und glaubt, dass sie alles immer in Ordnung bringen kann. »Wie könnt ihr bloß so einfach aufgeben? Nicht nur in Bezug auf PJ, sondern auch in Bezug auf alles andere, wie zum Beispiel das Lycée. Was ist nur mit euch passiert?«
»Livvy, Schätzchen, ich wollte PJ doch auch finden.«
Olivia wirft mir einen ungläubigen Blick zu.
»Doch, wirklich! Und ja, ich würde gern ins Lycée zurück - ich wollte nicht durchfallen und aus dem Programm ausgeschlossen werden. Und Jay wollte auch nicht sein ganzes Stipendiatengeld ausgeben. Aber so ist es nun mal gelaufen. Und warum auch immer, aber PJ wollte nun mal aus Paris weg und jetzt will sie nicht, dass wir zu ihr kommen.«
Olivia blickt traurig auf das Mittelmeer hinaus. Thomas legt ihr den Arm um die Schultern. »Olivia, du machst dir zu viele Sorgen. Maman kann sein sehr
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