Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
Ich höre zum ersten Mal davon, dass Hannes neben Pierson noch anderen außerschulischen Aktivitäten nachgeht.
Wieder nickt Hannes bloß.
»Na ja, warum geht ihr nicht einfach rein«, schlage ich vor. »Und Hannes und ich gehen shoppen oder so?«
»Klappe, Bruder«, sagt Pierson. »Du kannst doch nicht einfach mit meinem Hannes abhauen. Nimm ein bisschen Hasch und relax. Und dann kannst du später mit Bobby shoppen gehen.«
Ich seufze. »Gut, ich geh mit rein. Aber ich will kein Hasch.«
Wenn es Alex gewesen wäre, die mir Hasch angeboten hätte, wäre ich total begeistert gewesen. Aber aus irgendeinem Grund, weil es Pierson ist und weil es so komisch ist, mitzuerleben, wie er sich voll und ganz in ein neues Leben stürzt, eines, in dem er sich mit Männern verabredet und Drogen nimmt und tagsüber Bier trinkt, möchte ich es nicht.
Bobby lächelt mich schief an. »Es wird dir gefallen. Und es ist nun mal eine Ur-Amsterdamer Erfahrung, weißt du?«
Ich folge Bobby und Pierson an einen Tisch. Hannes lässt sich neben Pierson gleiten und bestellt sich ein Glas Orangensaft, während Bobby und Pierson über der anderen Karte brüten, der mit den angebotenen Drogen. Sie einigen sich schließlich auf etwas, das »Great Beyond« heißt und das angeblich ein intensives High-Gefühl erzeugt, das einen in eine ganz andere Welt entführt. Na klar doch.
Als das Hasch kommt, rollt Bobby es mit etwas Tabak zu einem Joint und zieht ein paar Mal tief daran. Bobby reicht ihn an Pierson weiter. Der macht es ihm nach, wenn auch viel weniger fachmännisch. Als sie ihn dann an mich weitergeben, zeigt Bobby mir kundig, wie man den Joint hält und wann man inhalieren muss. Ich bemerke, wie souverän er mit seinen Fingern hantiert, so als hätte er schon Tausende Joints gerollt und geraucht. Wie es wohl wäre, seine Hände in meinen zu halten, so wie es Hannes und Pierson gerade tun?
»Ich möchte wirklich nicht«, wiederhole ich.
»Jetzt entspann dich doch mal ein bisschen«, sagt Pierson. Nur damit er endlich Ruhe gibt, kremple ich mir die Ärmel meiner grauen Strickjacke hoch und beschließe, es zu wagen.
Als der Rauch auf meine Kehle trifft, habe ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Es brennt und plötzlich wird mir auch noch ganz schwindelig. Ich pruste und huste, was Pierson zum Lachen bringt.
»Komm, Bruder, versuch's gleich noch mal«, beschwatzt mich Pierson. Ich blicke ihn wütend an, aber ich probiere trotzdem noch einmal, den Joint zu rauchen. Diesmal inhaliere ich den Rauch schon müheloser, ziehe ihn bis in meine Lungen hinunter und atme ihn dann wieder aus, ohne allzu viel zu husten. Binnen weniger Minuten relaxe ich merklich. Meine Augenlider hängen schwer herab und ich muss dauernd grinsen.
»Siehst du?«, lacht Bobby. »Ich hab doch gewusst, dass es dir gefallen wird. Ich würde dich doch nicht anlügen.«
Hannes und Pierson flüstern miteinander, und nachdem der Joint aufgeraucht ist, fragen sie, ob sie sich kurz verabschieden können.
»Schon wieder?«, rufe ich. »Das gibt's doch nicht!«
Pierson lacht und zieht Hannes zur Tür. »Einen lieblichen Nachmittag, meine Freunde! Bis später im Studentenwohnheim!«
Ich verdrehe die Augen. Da geht er nun dahin und lässt mich schon wieder einfach so stehen, um mit Hannes abzuziehen.
»Er ist eben total verliebt.« Bobby grinst und lässt dabei kurz seine perlweißen Zähne aufblitzen. »Das legt sich irgendwann wieder, da bin ich sicher.«
»Ja, Pierson ist ganz eindeutig verliebt. Ich fände es nur schön, wenn er sich nicht dauernd mittags mit Hannes verziehen würde. Ich meine, schließlich fahre ich schon bald wieder weg! Ich muss am vierzehnten in die Schule! Aber er sorgt nur dafür, dass du mir Amsterdam zeigst«, sage ich, auch wenn ich Bobbys Gesellschaft ungeheuer genieße. »Das ist doch nicht fair.«
»Mir macht das nichts aus«, sagt Bobby sanft. Er beugt sich zu mir, sodass er mit seiner Schulter an meine stößt. »Möchtest du auch gehen?«
»Ja, gehen wir«, sage ich. »Ohne die beiden haben wir eh mehr Spaß!«
Zurück in der spätnachmittäglichen Sonne biegt Bobby nach links ab. »Ich möchte dir etwas echt Cooles zeigen. Meinen Lieblingsort in Amsterdam. Hast du Lust, dir noch mehr anzusehen?«
»Klar«, sage ich. »Sehr gern.« Mit einem breiten Lächeln schlendert Bobby voran, auf dem Weg zu seinem Spezialplatz. Flüchtig geht mir die Frage durch den Kopf, ob Bobby wohl mein erster Kuss wird. Langsam bekomme ich das
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