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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Ostufer der Insel an Land gegangen. Also mussten sie erst den Längstrakt des Gefängnisses umrunden, um auf die andere Seite zur Hofmauer zu gelangen. Warum sich Billy für diese Route entschieden hatte und nicht gleich im Westen gelandet war, darüber konnte sie nur rätseln.
    Becky spürte, dass ein leichter Wind aufkam. Und sogleich zogen sich die Nebelfelder auseinander und ließen Lücken frei, in denen vereinzelte Baumgruppen und Gesträuch wie versteinerte schwarze Wesen auftauchten. Aber schon nach wenigen Schritten umfingen sie wieder die grauen Nebelschleier. Laub raschelte unter ihren Füßen, dann wieder knirschten Sand und kleine Steine unter ihren Sohlen.
    Sie hatte bis zweiundachtzig gezählt, als Billy sich plötzlich nach rechts wandte, und Augenblicke später spürte Becky, dass der Boden unter ihren Füßen eben und hart wie glatter Stein war. Sie mussten einem gepflasterten Weg folgen, der von Ost nach West verlief. Jetzt konnte es bis zur südlichen Ecke der Hofmauer nicht mehr weit sein!
    Nach achtundfünfzig Schritten auf diesem befestigten Weg schlug Billy erneut einen Haken nach rechts - und nur wenige Sekunden darauf ragte plötzlich eine Mauer vor ihnen auf. Er blieb stehen und hob die Hand.
    »Das Seil!«, raunte der Flusspirat und steckte sein Messer in die Scheide.
    Sie waren am Ziel!
    Stumm und mit wild schlagendem Herzen betete Becky, dass ihr Bruder auch wirklich auf der anderen Seite auf seine Rettung wartete.
    Billy nahm das Seil entgegen und zog es auseinander. Dann legte er die Hände an den Mund und imitierte erst drei Mal und nach einer kurzen Pause noch zwei Mal den Ruf einer Eule.
    Von jenseits der Mauer antwortete ihm ein ähnlicher Eulenruf.
    Der bestochene Wärter, der Daniel drüben an diese Mauerstelle geführt hatte?
    Billy bückte sich nach dem Seil, bildete mehrere weite Schleifen, als wollte er es wie ein Lasso handhaben, und warf mehr als die halbe Länge mit einem kraftvollen Schwung über die Mauer, während er das andere Ende fest um sein rechtes Handgelenk gewickelt hielt.
    Das Seil straffte sich. Becky hörte ein kratzendes, schabendes Geräusch. Daniels Schuhe, die beim Hochklettern Halt an der Mauer suchten?
    Im nächsten Augenblick fasste eine Hand über die Mauerkrone, sogleich gefolgt vom schmächtigen Oberkörper ihres Bruders!
    »Spring!«, rief Billy ihm leise zu und streckte die Arme nach ihm aus.
    Daniel gab das Seil frei, drehte sich auf der Mauer, rutschte bäuchlings an den grauen Steinblöcken entlang, und als er mit den Beinen in der Luft baumelte und sich nicht länger halten konnte, ließ er los.
    Billy fing ihn auf.
    Sofort war Becky bei ihm und schloss ihn in ihre Arme. Er zitterte wie Espenlaub.
    »Ich wusste, dass du nach mir suchen und mich da irgendwie herausholen würdest!«, stieß er mit bebender, fast schluchzender Stimme hervor. »Ich habe es gewusst! O mein Gott, Becky, wenn du wüsstest, wie ich...!«
    »Spart euch das sentimentale Gequatsche für später auf!«, herrschte Billy sie an und rollte hastig das Seil zusammen. Diesmal warf er es sich selbst über die Schulter. »Zurück zum Boot!«
    Becky nahm die eisige Hand ihres Bruders.
    »Wer sind diese Männer?«, flüsterte Daniel.
    »Später!«, raunte Becky zurück. »Alles später. Sei ganz still, bis wir in den Docks sind!«
    So unbemerkt, wie sie zur Mauer des Gefängnishofes gelangt waren, kehrten sie auch zum Boot zurück. Coffin und Timothy begrüßten Becky und Daniel mit einem breiten Grinsen, in dem große Freude und Erleichterung lagen. Der Wind hatte mittlerweile an Kraft gewonnen und wirbelte den Nebel immer mehr auseinander. Damit wuchs die Gefahr, dass ein vorbeikommendes Wachboot sie entdeckte.
    Eingedenk des Befehls, nicht zu reden, klopften sie ihm nur stumm auf die Schulter, als er zu ihnen ins Boot stieg und sich in den Spalt vor ihren Füßen kauerte.
    »Sieh zu, dass du die Sträflingsklamotten loswirst!«, forderte Billy ihn auf, während Richie das Boot schon in tieferes Wasser schob. »Und dann an die Riemen! Beeilt euch!«
    Becky zog unter der Ruderbank das mitgebrachte Bündel gebrauchter Kleider hervor und drückte es ihrem Bruder in die Hand, um dann sofort zu ihrem Ruder zu greifen.
    Daniel riss sich die gestreifte Sträflingskleidung vom Leib und warf sie über Bord.
    Kaum hatten sie den Felsvorsprung drei, vier Bootslängen hinter sich gelassen und Kurs auf das andere Ufer des East Channel genommen, als der Nebel wieder einmal aufriss, eine weite

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