Bedenke Phlebas
ihre
Aufgabe war, die endgültige Ordnung herzustellen. Die Galaxis
mit ihren vielen und unterschiedlichen Zivilisationen würde sie
assimilieren.
Die Kultur war anders. Horza konnte kein Ende ihrer Politik der
ständigen und sich eskalierenden Einmischungen sehen. Es war
leicht möglich, daß sie in alle Ewigkeit weiterwuchs, weil
sie nicht von natürlichen Grenzen in Schranken gehalten wurde.
Wie eine entartete Zelle, ein Krebs ohne ›Aus‹-Schalter in
seinem genetischen Aufbau, würde die Kultur solange expandieren,
wie man es ihr erlaubte. Sie würde nicht aus freien Stücken
damit aufhören, und deshalb mußte sie dazu gezwungen
werden.
Schon vor langer Zeit hatte er beschlossen, sich dieser Sache zu
weihen, dachte Horza, während Fwi-Song weiterdröhnte. Doch
er konnte ihr nicht länger dienen, wenn er den Fressern nicht
entkam.
Fwi-Song redete noch ein Weilchen. Dann – nach einem Wort von
Mr. Eins – ließ er seine Trage herumdrehen, damit er seine
Jünger ansprechen konnte. Den meisten war sehr übel –
oder sie sahen so aus. Fwi-Song schaltete auf die lokale Sprache um,
die Horza nicht verstand, und hielt offenbar eine Predigt. Die
gelegentlichen Ausbrüche von Erbrechen unter seiner Herde
ignorierte er.
Die Sonne sank tiefer auf den Ozean herab, und die Luft wurde
kühler.
Nach der Predigt saß Fwi-Song still auf seiner Bahre. Die
Fresser kamen einer nach dem anderen zu ihm, verbeugten sich und
sprachen ernst zu ihm. Der kuppelartige Kopf des Propheten trug ein
breites Lächeln, und hin und wieder nickte er wie zum
Einverständnis.
Später sangen die Fresser, während Fwi-Song von den
beiden Frauen, die bei Siebenundzwanzigs Tod als Helferinnen fungiert
hatten, gewaschen und gesalbt wurde. Sein gewaltiger Körper
glänzte in den Strahlen der untergehenden Sonne. Er winkte
fröhlich. So wurde er vom Strand weg- und in das Wäldchen
am Fuß des einzigen kümmerlichen Berges der Insel
getragen.
Man schürte die Feuer und trug Holz herbei. Die Fresser
verteilten sich auf ihre Zelte und Lagerfeuer oder gingen in kleinen
Gruppen mit primitiv geflochtenen Körben davon, offenbar, um
frischen Abfall zu sammeln, den sie später versuchen würden
zu essen.
Zur Zeit des Sonnenuntergangs gesellte sich Mr. Eins den fünf
schweigenden Fressern zu, die um das Feuer saßen, das anzusehen
Horza mittlerweile satt hatte. Die ausgemergelten Menschen hatten
wenig oder gar keine Notiz von dem Wandler genommen, aber Mr. Eins
kam und setzte sich neben den an den Pfahl gebundenen Mann. In der
einen Hand hielt er einen kleinen Stein, in der anderen ein paar der
Gebisse, die Fwi-Song an Siebenundzwanzig ausprobiert hatte. Mr. Eins
schliff und polierte die Zähne und sprach dabei mit den anderen
Fressern. Nachdem zwei von ihnen zu ihren Zelten gegangen waren, trat
Mr. Eins hinter Horza und löste den Knebel. Horza atmete durch
den Mund, um den schalen Geschmack loszuwerden, und übte seinen
Unterkiefer. Er verlagerte sein Gewicht in dem Versuch, die
zunehmenden Schmerzen in seinen Armen und Beinen zu lindern.
»Bequem?« fragte Mr. Eins und setzte sich, wieder hin.
Er fuhr fort, die metallenen Fänge zu schärfen. Sie
glitzerten im Feuerschein.
»Ich habe mich schon besser gefühlt«, antwortete
Horza.
»Du wirst dich auch noch schlechter fühlen…
Freund.« Mr. Eins ließ das letzte Wort wie einen Fluch
klingen.
»Mein Name ist Horza.«
»Es interessiert mich nicht, wie dein Name lautet.« Mr.
Eins schüttelte den Kopf. »Auf deinen Namen kommt es nicht
an. Auf dich kommt es nicht an.«
»Dieser Eindruck begann sich bei mir auch schon zu
bilden«, gab Horza zu.
»Ach ja?« Mr. Eins stand auf und trat näher an den
Wandler heran. »Tatsächlich?« Er holte mit den
Stahlzähnen aus, die er in der Hand hielt, und schlug Horza
damit auf die linke Wange. »Du hältst dich für klug,
wie? Du bildest dir ein, du könntest aus der Sache herauskommen,
ja?« Er versetzte Horza einen Tritt in den Bauch. Horza keuchte
und würgte. »Siehst du wohl – auf dich kommt es nicht
an. Du bist nichts als ein Stück Fleisch. Mehr ist niemand.
Nichts als Fleisch. Und außerdem…« – ein zweiter
Tritt – »ist Schmerz nicht real. Das sind nur chemische und
elektrische Reaktionen und solche Sachen. Stimmt’s?«
»Oh«, krächzte Horza, dessen Wunden schmerzten,
»ja. Das stimmt.«
»Okay«, sagte Mr. Eins grinsend. »Erinnere dich
morgen daran, okay. Du bist nichts als ein Stück Fleisch, und
der Prophet ist ein
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