Bedenke Phlebas
duckenden Körper nach vorn flatterten.
Horza, der sich bereits so weit von dem Pfahl wegreckte, wie er
konnte, fühlte seine Nägel zwei Schichten Stoff
zerreißen, ohne Kontakt mit dem Fleisch darunter zu bekommen.
Mr. Eins taumelte rückwärts, stieß mit einer der
Frauen zusammen, die die Schüsseln mit stinkendem Brei trugen,
und schlug ihr das Gefäß aus den Händen. Horzas Arm
vollendete seinen Schwung, gerade als die beiden Fresser, die ein
Stück vor der Menge standen, herbeieilten und den Wandler am
Kopf und am Arm packten.
»Sakrileg!« kreischte Fwi-Song. Mr. Eins’ Augen
wanderten zu der Frau, die er angerempelt hatte, zum Feuer, zu dem
Propheten, dann mit wütendem Ausdruck zurück zu dem
Wandler. Er hob einen Arm und musterte die Risse in Robe und Jacke.
»Das Schmutzgeschenk entheiligt unseren Ornat!«
brüllte Fwi-Song. Die beiden Fresser rissen Horzas Arm dahin
zurück, wo er gewesen war, und drückten seinen Kopf gegen
den Pfahl. Mr. Eins trat auf Horza zu, holte die Pistole unter seiner
Jacke hervor und faßte sie am Lauf wie eine Keule. »Mr.
Eins!« fuhr Fwi-Song den hellhäutigen Mann an, und der
blieb wie angewurzelt stehen. »Tritt zurück! Streckt diesen
Arm aus; wir werden zeigen dem ungezogenen Jungen, wie wir verfahren
mit seiner Sorte!«
Horzas freier Arm wurde vor seinem Körper ausgestreckt. Einer
der Fresser, die ihn festhielten, hakte ein Bein um den Pfahl und
sorgte so verankert dafür, daß Horzas andere Hand blieb,
wo sie war. Fwi-Song hatte ein Gebiß mit schimmernden
Stahlzähnen im Mund. Es waren die mit den Löchern. Er
maß den Wandler mit finsteren Blicken. Mr. Eins trat
zurück, immer noch die Projektil-Pistole in der Hand. Der
Prophet nickte zwei anderen Fressern in der Menge zu. Sie ergriffen
Horzas Hand, spreizten die Finger und banden sie mit dem Handgelenk
an eine Stange. Horza spürte, daß er am ganzen Körper
zitterte. Er schnitt jedes Gefühl in dieser Hand ab.
»Ungezogenes, ungezogenes Geschenk von der See!« sagte
Fwi-Song. Er beugte sich vor, begrub Horzas Zeigefinger in seinem
Mund, schloß die Abstreifzähne darüber, schlug sie
ins Fleisch und zog den Kopf schnell zurück.
Der Prophet kaute und schluckte, beobachtete dabei das Gesicht des
Wandlers und runzelte die Stirn. »Gar nicht schehr schmackhaft,
Gabe ausch den Meereschströmen!« Der Prophet leckte sich
die Lippen. Horza sah über die Fresser, die ihn festhielten, auf
die über die Stange ausgestreckte Hand. Von ihrem einen Finger
war das Fleisch abgestreift, die Knochen hingen schlaff hernieder,
Blut tropfte von der dünnen Spitze.
Hinter dieser Hand saß Fwi-Song stirnrunzelnd auf seiner
Trage. Mr. Eins stand neben ihm, fixierte Horza immer noch mit
finsteren Blicken und hielt die Pistole am Lauf. Als Fwi-Song
weiterhin schwieg, sah Mr. Eins den Propheten verwundert an. Fwi-Song
nahm die Abstreifzahne mit einiger Mühe aus dem Mund und legte
sie zu den anderen Gebissen auf ihren Lappen. Er fuhr sich mit der
einen dicken Hand an die Kehle, mit der anderen an die gewaltige
Hemisphäre seines Bauchs. Mr. Eins’ Blick wanderte zu Horza
zurück, der sein Bestes tat, um zu lächeln. Der Wandler
öffnete seine Zahndrüsen und saugte Gift heraus.
»Mr. Eins…«, begann Fwi-Song, dann nahm er die Hand
vom Bauch und streckte sie dem anderen entgegen. Mr. Eins war sich
offenbar nicht sicher, was von ihm erwartet wurde. Er wechselte die
Pistole von rechts nach links und ergriff die ihm dargebotene Hand
des Propheten mit seiner nun freien. »Ich glaube, ich…
ich…«, sagte Fwi-Song. Seine Augen erweiterten sich von
Schlitzen zu schmalen Ovalen. Horza bemerkte, daß sein Gesicht
schon die Farbe wechselte. Gleich kommt die Stimme dran, wenn die
Stimmbänder reagieren. »Hilf mir, Mr. Eins!«
Fwi-Song umklammerte einen Klumpen Fett an seiner Kehle, als wolle er
einen zu eng gebundenen Schal lockern. Er steckte die Finger in den
Mund, den Hals hinunter. Aber Horza wußte, das nutzte nichts
mehr; die Magenmuskeln des Propheten waren bereits gelähmt
– er konnte das Gift nicht mehr erbrechen. Fwi-Songs Augen waren
jetzt weit aufgerissen und schimmerten weiß. Sein Gesicht wurde
graublau. Mr. Eins glotzte den Propheten an und hielt immer noch
seine goldene Pranke, in der seine eigene Hand ganz begraben war.
»Hi-il-fe!« quiekte der Prophet. Dann kam nichts mehr als
erstickte Laute. Die weißen Augen traten aus ihren Höhlen,
der riesige Körper bebte, der Kuppelkopf wurde blau.
Irgendwer in der Menge
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