Bedroht
sinken.
»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte Kathrine.
Anna zuckte mit den Schultern.
»Ich wollte nur mal vorbeischauen«, meinte sie und schob den Salzstreuer auf dem Tisch hin und her.
»Verstehe«, sagte ihre Mutter und öffnete den Küchenschrank. »Es gibt Earl Grey und Orangentee.«
»Earl Grey.«
Kathrine gab ein paar Löffel in ein Teesieb und betrachtete ihre Tochter von der Seite. Anna schaute aus dem Fenster. Es war windig und regnerisch, typisches Helsingborger Wetter. Der Wasserkocher klickte.
»Nett, dass du mich besuchen kommst«, meinte Kathrine und goss das Wasser auf. »Dieses Vergnügen hat man nicht alle Tage. Milch?«
»Hm.«
»Möchtest du ein Butterbrot?«
Anna schüttelte den Kopf.
»Nein, danke.«
Kathrine stellte die Tassen auf den Tisch und nahm Platz.
»Hast du wieder Dummheiten gemacht?«
»Was? Nein, natürlich nicht.«
»Du hast Lukas doch nichts davon erzählt, oder?«
»Nein.«
»Gut. Was ist es dann?«
Anna zog die Tasse zu sich her und nippte daran.
»Also …«, begann sie.
Dieses Mal ließ sie nichts aus. Sie erzählte von den Treffen in Eriks Wohnung, davon, dass er an der Bushaltestelle aufgetaucht war, sie betrunken auf dem Handy angerufen hatte und unangemeldet an ihrer Arbeitsstelle erschienen war.
»Oje«, meinte Kathrine, als Anna fertig war, »das ist ja allerhand.«
Sie betrachtete ihre Tochter, die ihre Schultern hängen ließ und auf die Tischplatte starrte.
»Bist du sicher, dass du die Fotos auf dem Handy gelöscht hast?«
Anna nickte geistesabwesend. Sie war tief in Gedanken versunken.
»Gut. Bei so was kann man gar nicht vorsichtig genug sein.«
Kathrine streckte sich über den Tisch und ergriff die Hand ihrer Tochter.
»Die Sache macht mir echt Bauchschmerzen«, meinte Anna.
»Ach was, er ist einfach nur verknallt. Und das kann ich verstehen.«
Anna verzog bei dem Kompliment ihrer Mutter das Gesicht.
»Ich liege jede Nacht wach.«
»Aber jetzt hast du ihm wenigstens gesagt, dass ihr nicht mehr zusammenarbeiten werdet. Es ist gut, dass du ihm deine Meinung gesagt hast.«
Anna setzte sich auf und lehnte sich über den Tisch.
»Dieser Typ, den er besucht haben will, dieser Johan Andersson … Es gibt niemanden, der so heißt.«
»Bist du sicher?«
»Ziemlich …«
»In diesem Fall hat er dir nachgestellt. Aber bist du nie bei einem heimlichen Schwarm vorbeigegangen, in der Hoffnung, ihm zufällig zu begegnen?«
»Nein.«
Kathrine betrachtete amüsiert ihre Tochter und zog die Brauen hoch.
»In der Mittelstufe vielleicht. Das ist nicht dasselbe. Erik ist erwachsen.«
»Hat er dich bedroht? War er gewalttätig?«
Anna schüttelte den Kopf.
»Nein, war er nicht, wenn man von der Sache mit dem Glas absieht.«
Kathrine nickte und schien noch einmal zu überdenken, was sie soeben erfahren hatte.
»Warte einfach ab, irgendwann ist er es leid.«
»Ich muss es Lukas erzählen«, sagte Anna düster. »Aber ich habe solche Angst, dass er mich verlässt, wenn ich es ihm sage.«
»Nein, das wird er nicht. Er wird den Märtyrer spielen und in Selbstmitleid zerfließen, bis du es nicht mehr erträgst und allmählich den Respekt vor ihm verlierst. Ein anderes Szenario kann ich mir nicht vorstellen. Wenn du ihn behalten willst, tust du klug daran, die Sache für dich zu behalten, statt sie auf ihn abzuwälzen.«
34
Als Anna die Tür öffnete, stieg ihr der Duft von frisch geputztem Haus und gerösteten Pinienkernen in die Nase.
»Hallo?«
»Ich bin in der Küche.«
Sie zog die Schuhe aus, hängte ihren Mantel auf und ging zu ihm. Lukas zerkleinerte Basilikum und Pinienkerne in dem großen Mörser, den er zum vierzigsten Geburtstag bekommen hatte und der dekorativ im Küchenfenster stand, wenn er nicht verwendet wurde. Er hielt kurz inne, um ihr ein Glas Wein zu reichen.
Anna musterte ihn mit fragendem Blick.
»Wo ist Hedda?«
Er stieß mit Anna an.
»Skål. Bei Louise. Sie isst dort Abendbrot.«
Anna deutete mit ihrem Weinglas auf die Kerzen und den festlich gedeckten Tisch.
»Und das hier?«
»Das ist unser Montagssupper.«
»Unser Montagssupper?«
Lukas nickte.
»Ist mir etwas entfallen? Ein Datum oder so?«
Lukas stellte das Weinglas beiseite.
»Heute vor genau fünfzehn Jahren …«, begann er feierlich. »Nein, dir ist nichts entfallen.«
»Hast du eine neue Stelle?«
»Nein. Ich dachte nur, du weißt schon, die Tage vergehen, und da vergisst man schnell die wichtigen Dinge im Leben.«
»Die wichtigen Dinge im
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