Bedroht
keinen Türcode. Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihrer Tochter. Die Mailbox sprang sofort an, was darauf hindeutete, dass sie ihr Handy ausgeschaltet hatte. Kathrine versuchte es stattdessen im Büro.
»Willkommen beim Familienjournal . Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hallo, hier ist Kathrine, Annas Mutter.«
»Hallo, Kathrine«, sagte Renée. »Alles in Ordnung?«
»Ja, und bei Ihnen?«
»Bestens, danke. Anna hat den ganzen Tag Besprechungen. Soll ich sie bitten, zurückzurufen?«
Ein Mann verließ das Haus, und Kathrine nutzte die Gelegenheit, zur Tür hineinzuschlüpfen. Der Mann salutierte und lächelte sie an.
Kathrine lächelte zurück.
»Nein, es war nichts Wichtiges«, sagte sie. »Richten Sie ihr einfach aus, dass ich angerufen habe?«
»Aber sicher«, erwiderte Renée. »Einen schönen Tag noch.«
»Ihnen auch.«
Kathrine studierte die Tafel mit den Namen der Bewohner und nahm den Fahrstuhl ins oberste Stockwerk. Sie klingelte. Rasche Schritte näherten sich. Die Tür wurde geradezu aggressiv aufgerissen. Erik Månsson sah sie erstaunt an, ein Erstaunen, das augenblicklich in Wachsamkeit überging.
Er war jünger, als Kathrine ihn sich vorgestellt hatte, weniger erwachsen. Er sah gut aus, im Moment aber auch gestresst und ertappt.
»Guten Tag. Ich heiße Kathrine Hansson. Ich bin Anna Stenbergs Mutter.«
Sie streckte die Hand aus. Er zögerte, schüttelte sie dann aber, weil es eine allzu offene Provokation gewesen wäre, es zu unterlassen.
»Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.«
Erik verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere und reckte sich.
»Worüber?«
»Über meine Tochter. Darf ich reinkommen?«
Kathrine lächelte freundlich.
»Anna weiß nicht, dass ich hier bin«, fügte sie hinzu.
Erik hielt die Tür auf.
»Danke.«
Sie trat ein, und er schloss die Tür hinter ihr. Sie drehte sich um und schob das unbehagliche Gefühl, gerade einen Fehler zu begehen, von sich. Sie zog den Mantel aus, hängte ihn auf einen Bügel und stellte ihre Handtasche darunter.
»Darf ich die Schuhe anbehalten? Es ist etwas mühsam, sie auszuziehen.«
Erik nickte und ging in die Küche. Kathrine folgte ihm wachsam. Sie deutete fragend auf einen Stuhl, und er nickte knapp. Sie setzte sich. Erik verschränkte die Arme und lehnte sich an die Spüle.
»Also«, begann Kathrine zögernd, als feststand, dass er nicht vorhatte, ihr in irgendeiner Weise über ihre Verlegenheit hinwegzuhelfen. »Anna hat mir erzählt, dass Sie … dass Sie sich in Mölle kennengelernt haben, zu Ihrer beiderseitigen Freude, wenn ich es richtig verstanden habe.«
Sie versuchte seine Miene zu deuten, aber es war nicht zu erkennen, ob ihre Worte zu ihm durchgedrungen waren.
»Anna hat mir weiter erzählt, dass die Geschichte zunehmend ausartet«, fuhr Kathrine fort und breitete die Arme aus. »Ich kenne nur Annas Version und würde gerne Ihre hören.«
Erik sah sie forschend an.
»Da schickt sie also ihre Mutter vor«, stellte er fest. »Sie traut sich nicht, ihrem Mann etwas zu erzählen, und heult sich bei der Mama aus. Mama tröstet und rückt alles ins rechte Licht. Mama verspricht, dem störrischen Bengel ins Gewissen zu reden und ihn zur Vernunft zu bringen.«
»Anna weiß nicht, dass ich hier bin.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Bloß weil Sie diese Lüge wiederholen, wird sie noch lange nicht wahrer.«
»Zufälligerweise ist das aber die Wahrheit.«
»Okay«, sagte er und nahm auf der Spüle Platz. »Sie sind also aus eigenem Antrieb hier. Das bedeutet, dass Anna Ihnen erzählt hat, wie ich heiße und wo ich wohne. Hat sie Ihnen auch den Code für die Haustür gesagt?«
»Ein Mann hat das Haus verlassen, als ich davorstand.«
»Wie praktisch.«
Seine Aggression war in Sarkasmus übergegangen. Kathrine wusste nicht, ob das ein Schritt in die richtige Richtung war.
»Können Sie nicht einfach sagen, was Sie stört?«, sagte Kathrine. »Es muss doch möglich sein, miteinander zu reden.«
»Wie denn bitte, wenn sie nie abhebt?«
»Wollen Sie, dass ich mit ihr rede?«
Erik lachte so spontan los, dass er husten musste. Kathrine ließ sich nicht provozieren.
»Sozusagen als meine Anwältin, meinen Sie? Da weiß ich meine Sache ja in guten Händen! Und Sie würden natürlich nicht parteiisch sein.«
Kathrine setzte sich auf.
»Natürlich bin ich parteiisch, ich bin schließlich ihre Mutter. Sie hat erzählt, dass Sie ein Video aufgenommen haben.«
»Ach,
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