Bedroht
chinesischen Take-away, die mit einem Magneten an der Kühlschranktür befestigt war.
»Hallo, Mama!«, schrieb sie auf die Rückseite. »Wo steckst du? Bitte ruf mich an, sobald du das hier liest. Kuss! Anna.«
Mit nagenden Zweifeln fuhr sie in die Redaktion zurück. Sie sprach so gut wie täglich mit ihrer Mutter. Warum hüllte sie sich plötzlich in Schweigen?
73
Es war wirklich kein Vergnügen, in den vornehmen Vierteln nördlich von Helsingborg Polier zu sein. Kaum drehte Kent sich um, waren schon diese reichen Säcke da und füllten den Müllcontainer mit ihren verdammten Möbeln und Sachen. Er hatte große Lust, das Sofa, die Kommode und die Mülltüten aus dem Container zu zerren und den Dreck einfach auf dem Bürgersteig abzuladen. Aber dann würde er richtig Ärger kriegen.
Warum mieteten sie nicht einfach einen Anhänger und fuhren ihre Sachen zur Müllkippe?
Er griff zum Telefon.
»Hallo, hier ist Kent. Kannst du den Container abholen, den ihr gestern gebracht habt … Ja, er ist schon wieder voll … Nein, alles brennbar, einfach rein mit dem Dreck in den Ofen … Und dann will ich einen neuen. Mit Überwachungskamera und Elektrozaun … Erst morgen? Okay, dann weiß ich Bescheid. Danke.«
Ein Spaziergänger stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, ob in dem Container etwas von Interesse lag. Kent sah ihn wütend an, und der junge Mann eilte rasch weiter.
Immer wenn jemand seinen Plunder in den Container warf, waren sie da und wühlten.
Wie die Ratten, dachte Kent, keinen Deut besser.
74
»Hast du immer noch nichts gehört?«
Anna schüttelte den Kopf. Lukas rieb sich das Kinn.
»Seltsam. Und sie hat wirklich gesagt, dass sie Ditte treffen will?«
»Ja.«
»Könnte sie bei jemand anderem sein?«
»Nein, ich habe bei allen angerufen.«
»Es wird ihr doch nichts zugestoßen sein?«
»Ich habe die Krankenhäuser angerufen. Die Zeitung lag noch in der Diele. Sie hat also letzte Nacht nicht zu Hause geschlafen.«
»Hm«, meinte Lukas vieldeutig.
Anna zog die Schultern hoch.
»Warum sollte sie so etwas geheim halten?«
Es war fast eine Erleichterung, sich auf dieses Rätsel zu konzentrieren. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich ihrem Mann ganz nah.
»Hat sie Internet-Dating praktiziert?«
»Soweit ich weiß, nicht …«
»Aber?«
Anna zuckte mit den Achseln.
»Erstaunen würde es mich nicht.«
»Hauptsache, sie ist nicht an irgendeinen Irren geraten.«
Anna sah ihren Mann besorgt an.
»Sag doch so was nicht«, meinte sie.
Lukas zuckte mit den Achseln.
»Es gibt merkwürdige Leute, mehr sage ich gar nicht.«
»Hör auf. Begreifst du denn nicht, dass ich mir Sorgen mache?«
Anna drehte sich um. Lukas streckte den Arm aus.
»Entschuldige.«
»Wie spät ist es?«, fragte Anna und schaute auf ihre Armbanduhr. »Viertel nach fünf. Ich gehe jetzt zur Polizei. Sie ist jetzt über vierundzwanzig Stunden verschwunden.«
»Ist das nicht übertrieben?«
»Möglich, aber das ist mir egal. Du bleibst hier, bis Hedda nach Hause kommt.«
75
Karlsson fläzte sich auf seinem Drehstuhl und spielte mit seinem Kugelschreiber. Hatte er in seiner Gutherzigkeit einen Fehler begangen? Offensichtlich. Die Frau, die behauptete, von einem jungen Stalker verfolgt zu werden, hatte mit einem neuen Problem auf der Wache vorgesprochen. Dieses Mal war ihre Mutter verschwunden.
Karlsson glaubte zu wissen, womit er es zu tun hatte. Eine einsame Frau, die auf Aufmerksamkeit pochte. Sie würde ihm immer wieder auf die Pelle rücken, wenn er sie nicht in ihre Schranken wies.
»Meine Mutter …«, sagte Anna.
»Ihre Mutter«, wiederholte Karlsson und bekam ein schlechtes Gewissen, als er an den jungen Mann dachte, dem er am Tag zuvor die Leviten gelesen hatte.
»Sie ist verschwunden.«
»Verschwunden«, sagte Karlsson und tröstete sich mit dem Gedanken, dass ein Typ, der heimlich Pornofilme aufnahm, auch nicht alle Tassen im Schrank hatte.
»Sie hat mir geschrieben, dass sie eine Freundin in Dänemark besuchen wolle, aber dort ist sie nicht.«
»Dort ist sie also nicht.«
»Nein. Und ihre Zeitung lag noch in der Diele auf dem Fußboden. Sie war die ganze Nacht nicht zu Hause. Ich habe mich hier und in Dänemark bei den Krankenhäusern erkundigt.«
»So, so. Und dieser Bergman?«
Anna verstand nicht.
»Der Filmregisseur«, erklärte Kriminalkommissar Karlsson und dachte, dass beide vermutlich gleich verrückt waren. Jedem Topf seinen Deckel, Gleich und Gleich gesellt sich
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