Bedroht
kalt.«
»Eis kann man immer essen.«
»Ich will zu Mama.«
»Ich kann hier anhalten und ein Eis kaufen. Willst du das?«
Heddas Handy klingelte. Erik nahm es aus seiner Innentasche und schaute auf das Display.
»Ich muss diesen Anruf annehmen«, sagte er. »Der ist für mich.«
Er drückte auf den grünen Knopf.
»Ja?«, sagte er fröhlich und entspannt.
Am anderen Ende war es still.
92
Anna schaute auf das Display. Hatte sie die falsche Nummer gewählt? Nein.
»Hallo?«, wiederholte sie und spürte, wie ihr Puls zu rasen anfing.
»Hallo, Anna.«
»Mit wem spreche ich bitte?«
Sie klammerte sich an einen Strohhalm.
»Das weißt du doch.«
»Wo ist Hedda? Ich will mit Hedda sprechen!«
»Wir machen einen Ausflug. Ich will ihr den Felsen zeigen, den wir besucht haben. Kannst du dich daran erinnern?«
Anna brachte keinen Ton über die Lippen.
»Hallo?«, sagte Erik.
»Hör zu«, schrie Anna. »Was auch immer geschehen sein mag. Lass Hedda in Ruhe. Hörst du? Lass Hedda in Ruhe. Um Gottes willen, nicht meine Tochter.«
Sie war aufgestanden und stand in einer seltsamen Stellung über den Küchentisch gebeugt. Trude betrachtete sie mit aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir verstehen uns prächtig.«
»Erik. Ich will mit meiner Tochter reden. Gib ihr das Handy.«
»Sag Hallo, Hedda.«
Anna hörte die ferne Stimme ihrer Tochter.
»Ich will mit ihr reden.«
»Dann komm halt her«, sagte Erik. »Ohne Blaulicht. Sehe ich ein Blaulicht, nehme ich ihre Hand und springe.«
Er beendete das Gespräch.
»Hallo? Erik?«, rief Anna.
Sie betrachtete das Handy und drückte auf Wahlwiederholung.
»Ja?«, antwortete er unbeschwert.
»Erik, hör mir zu.«
»Nein. Du hörst mir zu. Erstens: Du rufst mich nicht mehr an. Zweitens: Halt die Leitung frei. Wenn besetzt ist, deute ich das als Blaulicht. Haben wir uns verstanden?«
Er beendete das Gespräch erneut.
»Er ist auf dem Weg zum Kullaberg, er will sie von der Klippe stürzen.«
Anna war bereits in der Diele, und Trude eilte hinter ihr her.
Mit quietschenden Reifen verließen sie den Wendehammer.
»Dein Telefon«, sagte Anna zu Trude, als sie es im Fach vor dem Schaltknüppel entdeckte.
93
Karlsson und Gerda wussten, wie es sich abgespielt hatte. Alles stimmte. Die Kartons waren bei Ikea gekauft worden, wo man später auch Kathrines Handy gefunden hatte. Der durchdringende Geruch nach Chlorreiniger, mit dem Erik vergeblich versucht hatte, die Spuren zu beseitigen. Der Kratzer im Emaille der Badewanne.
»Wie überbringt man eine solche Nachricht?«, fragte Karlsson und zog den Kopf ein, um dem zunehmenden Wind zu entkommen.
»Man sagt ohne Umschweife, wie’s ist«, meinte Gerda. »Alles andere macht es nur noch schlimmer.«
»Ja«, meinte Karlsson resigniert. »Mag sein.«
Sie gingen zum Wagen. Es hatte zu dämmern begonnen.
»Lassen wir die Wohnung überwachen?«
»Ja.«
»Was hat die Spurensicherung gefunden?«
»Blut, Haare und Knochensplitter im Abfluss. Und irgendeinen unerfindlichen Dreck in der Küche. Hoffentlich irgendwelche Reste vom Kochen.«
»Am besten fahren wir jetzt gleich zu ihr.«
Er rief die Auskunft an und ließ sich Annas Adresse geben. Sie fuhren nach Laröd und klingelten. Als niemand öffnete, griff Karlsson zu seinem Handy. Er atmete tief durch, um Kräfte zu sammeln, und rief an. Anna antwortete beim ersten Klingeln.
»Ja?«
Karlsson bereute, sich seine Worte nicht vorher zurechtgelegt zu haben.
»Guten Tag«, begann er vorsichtig. »Kommissar Karlsson hier …«
»Ich kann jetzt nicht reden.«
Sie beendete das Gespräch.
Seltsam. Im Hinblick auf die Umstände ausgesprochen seltsam. Was hatte das zu bedeuten? Karlsson betrachtete sein Handy. Sollte er es ein weiteres Mal versuchen?
»Sie hat aufgelegt«, sagte er zu Gerda.
»Was? Wurde die Verbindung unterbrochen?«
»Nein. Sie hat einfach aufgelegt. Sie hat gesagt, dass sie jetzt nicht reden kann, und hat aufgelegt.«
»Seltsam.«
»Soll ich sie noch mal anrufen?«
»Ja.«
In diesem Augenblick leuchtete das Display auf. Unbekannte Nummer. Karlsson drückte auf den grünen Knopf.
»Ich bin es«, sagte Anna mit angestrengter Stimme. »Ich muss meine Leitung frei halten.«
»Immer mit der Ruhe. Ich verstehe Sie nur ganz schlecht.«
»Er hat Hedda.«
»Wen?«
»Meine Tochter. Erik hat sie gekidnappt. Sie sind auf dem Weg zum Kullaberg. Er sagt, kein Blaulicht. Sobald er Sirenen hört, wirft er sie
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