Bedrohung
andere Richtung liefen. Das war offensichtlich das berüchtigte Tornado-Team, die gefängnisinterne Sondereinheit zur Bekämpfung von Unruhen. Fox war ihnen noch nie zuvor begegnet. Während seiner Haft hatten in Westmoor ungewöhnlich ruhige Verhältnisse geherrscht, nichtsdestotrotz sahen die Männer hinter ihren feuerfesten Masken bedrohlich aus. Fox hatte keinen Zweifel, dass sie die Meuterei binnen weniger Minuten niederschlagen würden. Die meisten Häftlinge hatten nicht mehr den Nerv zu kämpfen, nicht gegen einen ernstzunehmenden Gegner. Doch das war jetzt egal. Die Meuterei hatte ihren Zweck erfüllt, und Fox würde, ganz egal wie Officer Thomson darüber dachte, zum ersten Mal seit fünfzehn Monaten die frische Luft außerhalb der Gefängnismauern atmen.
Es konnte immer noch alles Mögliche schiefgehen, aber als er durch die verschiedenen Schleusen geschoben wurde, an deren Ende er Tina Boyd, flankiert von zwei mit MP5s bewaffneten Cops, am Empfangstisch lehnen sah, verspürte er eine Erregung, die ihn elektrisierte.
Das war es. Er war auf dem Weg.
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21:13
Tina unterschrieb die letzten Formulare, um Fox in Gewahrsam zu nehmen, und reichte sie dann dem besorgt dreinschauenden Wärter zurück. Die Atmosphäre in Westmoor war definitiv angespannt. Tina konnte die Meuterei zwar nicht hören, aber die Auswirkungen zeichneten sich deutlich in den Gesichtern der Wärter ab.
Auch sie spürte die grassierende Furcht. Für ihren Teil hatte sie heute bereits genug Tod und Zerstörung erlebt. Auf dem Weg zum Hubschrauber war sie am brennenden, von Einsatzfahrzeugen umstellten The Shard vorbeigekommen, und als sie am Gefängnis eingetroffen waren, hatte sie das in einem der Flügel entfachte Feuer gesehen. Es erinnerte sie an die Unruhen vom August 2011, die sich schnell über London und den Rest des Landes ausgebreitet hatten. Damals schien es, als stünde das Land vor dem endgültigen Zusammenbruch. So wie heute.
Doch Tina war immer schon eine Kämpferin gewesen. Anstatt sich von der Angst überwältigen zu lassen, nutzte sie sie, um die zunehmende Erschöpfung im Zaum zu halten. Sie fühlte sich vielleicht nicht topfit, aber das würde sie Fox auf keinen Fall spüren lassen, der in diesem Augenblick von seinem Wärter zu ihr gebracht wurde.
»Hallo, Miss Boyd«, sagte er unverbindlich.
»Hallo, Mr. Garrett«, gab sie kurz angebunden zurück. Einmal mehr war sie überrascht, wie unscheinbar er aussah. Er war kaum drei Zentimeter größer als sie und wog wahrscheinlich gerade mal siebzig Kilo, sein dünnes Haar ließ ihn überdies aussehen, als wäre er frühzeitig gealtert. Nun stand er mit eingefallenen Schultern und gesenktem Kopf vor ihr. Doch Tina durchschaute ihn. Fox war ein gefährlicher Killer, ganz egal wie sehr er versuchte, es vor ihr zu verbergen.
»Sind Sie bereit?«
»Wenn Sie es sind?«
Tina nickte dem Wärter zu, der sie bereits zu ihrem ersten Gespräch mit Fox geleitet hatte. Das war vor zehn Stunden gewesen und schien doch eine Ewigkeit her zu sein. Thomson hieß er, glaubte sie sich zu erinnern.
»Danke, wir übernehmen ihn jetzt.«
»Er gehört ganz Ihnen«, erwiderte Thomson und versetzte Fox einen Stoß in den Rücken. »Er wurde gründlich durchsucht. Am ganzen Körper. Trotzdem, wenn ich Sie wäre, würde ich ihn im Auge behalten. Er ist ein aalglatter Hund.«
»Kann ich Sie um einen Gefallen bitten, Miss Boyd?«, fragte Fox, als Tina ihn am Arm durch das Tor und die Vortreppe hinunter zu dem von zwei Einsatzfahrzeugen eskortierten Van führte. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Handschellen vorne statt hinten zu verschließen? So, wie sie jetzt sind, schürfen sie die Stiche an meinem Arm auf.«
Tina sah ihm in die Augen. Von der Aufmüpfigkeit, die er heute Morgen an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr zu spüren, seine Bitte wirkte aufrichtig, dennoch ließ sie sich nicht täuschen.
»Ich fürchte, nein.« Sie zog ihn am Arm und bugsierte ihn die letzten Stufen hinunter.
»Wir wollen unsere Beziehung doch nicht auf dem falschen Fuß beginnen?«, sagte Fox pikiert.
»Geben Sie mir die Namen aller Beteiligten, und ich werde darüber nachdenken.«
»Wenn ich das täte, würden Sie mich direkt wieder in dieses Loch verfrachten. Ich brauche ein paar Sicherheiten, und ich erzähle Ihnen garantiert nichts, ehe ich nicht schriftlich habe, dass ich bis zum Verhandlungsbeginn an einem sicheren Ort bleiben kann.«
»Dann wird die Fahrt eben etwas ungemütlich
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