Bedrohung
binnen weniger Minuten wurde er leichenblass, und als der Sanitäter ihm endlich die Schutzkleidung auszog, sah er, wie schlimm es ihn erwischt hatte. Die Kugel hatte eine wichtige Arterie durchtrennt, und ohne sofortige Bluttransfusion hatte er keine Chance. Der Sanitäter flickte ihn so gut es ging zusammen, aber das Blut sickerte unaufhörlich durch den Verband und färbte das schlammige Wasser rot.
Wir mussten uns entscheiden. Blieben wir hier unten und warteten, bis das Funkgerät wieder einsatzbereit war oder man uns in der Basis vermisste und Unterstützung schickte, oder kämpften wir uns zur Basis zurück und schleppten unseren Kommandanten mit? Der Sergeant, der das Kommando übernommen hatte, entschied sich für Letzteres. Die bestialischen fünfundzwanzig Minuten, die wir uns durch die Bewässerungsgräben zurückkämpften, bis wir noch hundert Meter von der Basis entfernt ein freies Feld überqueren mussten, werde ich nie vergessen. Erschöpft und dem Zusammenbruch nahe, schossen wir in dem fünfundvierzig Grad heißen Backofen wild um uns, im Bewusstsein, dass jeder von uns der Nächste sein konnte, den es erwischte. Zwei Mann aus unserer Patrouille hatten sich freiwillig gemeldet, den Kommandanten über das freie Feld zu tragen, wohl wissend, dass sie damit langsam sein und ein leichtes Ziel abgeben würden. Einer der Männer war Cecil. Der andere war ich. Er hatte die Schultern, ich die Beine. Und wir kamen durch. Hinterher meinte Cecil, wenn die Taliban so gute Schützen wären wie wir, hätten sie uns mehr Löcher verpasst, als eine Käsereibe hat. Aber da sie es nun mal nicht waren und wir Mut und Entschlossenheit bewiesen, schafften wir es entgegen allen Wahrscheinlichkeiten.
Der Kommandant dagegen schaffte es nicht. Er starb im Hubschrauber auf dem Weg nach Camp Bastion.
Und wenn nicht gleich Hilfe käme, würde auch ich ausbluten, und es war eine grausame Ironie des Schicksals, dass einer der Männer, die mich in diese Lage gebracht hatten, ausgerechnet mein treuer Kamerad und Freund war.
Der Krieg hatte ihm den Verstand geraubt.
Mir aber auch, wie ich reumütig zugeben musste.
Drei oder vier Meter von mir entfernt lag die Leiche meines Nachbarn Rupert reglos neben seinem Wagen. Dort, wo er zu Boden gerutscht war, verlief eine blutige Schmierspur. Ein unschuldiger Mann, der mit alldem nichts zu tun hatte und nur durch Zufall zwischen die Fronten eines Krieges geriet, der ihn nichts anging. Er lag auf der Seite, das Gesicht zu mir gewandt, aber mit geschlossenen Augen, was ihm einen friedlichen, fast gelangweilten Ausdruck verlieh.
Man glaubt nie, dass es einen selbst erwischt. Der Tod. Falls doch, gibt man einen lausigen Soldaten ab. Auch ich hätte mich nicht zur Hälfte der Aktionen – schon gar nicht zu der von heute – breitschlagen lassen, an denen ich teilgenommen habe, hätte ich geahnt, dass ich so enden könnte: allein in der Kälte verblutend.
Ich wollte nicht sterben. Der Gedanke packte mich fast schockartig. Ich wollte leben. Wollte meine Tochter aufwachsen sehen. Eine Frau kennenlernen, die mich liebte, wie ich war, mit vielen Fehlern, aber trotzdem ein anständiger Kerl. Ruhiger werden und einen festen Job mit einem regelmäßigen Einkommen finden. Ich wollte mich nicht länger an den Männern rächen, die im Stanhope meinen Vetter umgebracht hatten.
Ich wollte nur sein wie alle anderen auch.
Meine Lider wurden bleischwer. Wenn ich nur einen Augenblick die Augen schloss, konnte ich vielleicht neue Energie tanken. Nur einen Moment.
Meine Lider begannen zu flackern und fielen dann langsam zu, wie Vorhänge, die die brutale Welt da draußen aussperrten.
Reifen knirschten auf dem Kies, und ein Paar Scheinwerfer strahlte mich für einen Moment an. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen, und sah einen Wagen, der auf den Parkplatz einbog und ein paar Meter entfernt stehen blieb.
Ich versuchte zu rufen, brachte aber kein Wort hervor. Versuchte, den Arm zu heben, brachte ihn aber nicht hoch. Fragte mich, ob es nicht schon zu spät war.
68
21:22
Im Heck des Polizeitransporters war es eng, heiß und stickig. Doch wenn man über ein Jahr in einem abgeschotteten Gefängnis verbracht hatte und wie Fox diese Atmosphäre gewohnt war, konnte man die Sache gelassener nehmen als die vier Männer, die um ihn herumsaßen.
Er war eingeklemmt zwischen zweien von ihnen. Große Kerle mit Helmen und allen möglichen Panzerungen. Die anderen beiden saßen ihm gegenüber, mit über die Knie
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