Bedrohung
Zähne, und der Cop, der mich begleitet hatte, handelte sich ein gebrochenes Jochbein ein.
Ich wurde an Ort und Stelle festgenommen. Das ging wohl auch gar nicht anders. Alfonse Webber hatte einiges abgekriegt. Er verbrachte eine Woche im Krankenhaus und musste sich mehreren plastischen Operationen unterziehen, um die Schäden an seinem Gesicht zu korrigieren. Ich wurde sofort vom Dienst suspendiert und der schweren Körperverletzung angeklagt. Als ich zwei Tage später zum Haftprüfungstermin erschien, wurde eine Kaution abgelehnt. Obwohl es mein erstes Vergehen war, obwohl ich ein hochdekorierter Kriegsheld war, obwohl ein Psychiater mir eine posttraumatische Stressstörung attestierte und obwohl Alfonse Webber ein gewalttätiger Straßengangster war, der es darauf angelegt hatte, mich zu provozieren … Trotz all dieser mildernden Umstände sah ich einer Haftstrafe von wenigstens drei oder vier Jahren entgegen.
Bis mir jemand einen Deal anbot.
Wir fuhren auf Seitenstraßen durch Nord-London, durch Edmonton und Enfield. Die ganze Zeit behielt Cecil den Rückspiegel im Auge, um zu sehen, ob wir verfolgt wurden. Allerdings hätte ich nicht sagen können, wer uns verfolgen sollte. Die Cops hätten uns auf der Stelle verhaftet, immerhin hatte Cecil gerade einen Menschen erschossen. Doch ich hielt den Mund.
Schließlich lichteten sich die zusammengepferchten Londoner Vororte, jedoch nur, um ebenso trostlosen Siedlungen Platz zu machen, in denen ein Haus dem anderen glich. Dazwischen lagen Golfplätze und endlich die ersten Anzeichen des Grüngürtels. Kurz darauf waren wir hinter der M25, und Cecil bog auf eine ruhige Landstraße ab. Zwanzig Meter vor einer verlassen wirkenden Scheune, die sich an den Saum eines Buchenwäldchens schmiegte, hielt er an.
»Ganz schön abseitiges Örtchen, um sich mit jemandem zu treffen«, bemerkte ich.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, erwiderte Cecil. Er langte zu mir herüber und holte ein wie ein Handy geformtes Gerät mit einer Antenne aus dem Handschuhfach. Als er es einschaltete, leuchtete an der Seite ein rotes Lämpchen auf.
»Was ist das?«, fragte ich, obwohl ich es genau wusste.
»Ein Wanzendetektor. Er erkennt, ob du verdrahtet bist.«
»Entschuldige, Cecil, aber wir haben gerade zusammen einen Raubüberfall durchgezogen. Da werde ich dich wohl kaum reinlegen wollen.«
»Der Mann, den wir treffen, ist paranoid. Und Befehl ist nun mal Befehl.«
Es ergab keinen Sinn, mich mit ihm zu streiten, also ließ ich ihn gewähren. Natürlich piepte der Detektor nicht.
»Willst du mich auch noch per Hand abtasten?«
Eins musste man Cecil lassen: Als wir ausstiegen, schaute er mich immerhin an, als ob es ihm peinlich wäre. Dann schnappte er sich den Seesack mit dem Geld vom Rücksitz. »Komm mit.«
Ich folgte ihm zur Scheune. Die Luft war frisch und kühl, die Sonne kämpfte sich gerade erst durch eine dichte Wolkendecke. Der Verkehrslärm von der M25 war verebbt, man hörte einzig das gelegentliche Krächzen einer Krähe aus dem Wald und von den dahinterliegenden Feldern. Andere Fahrzeuge sah ich nicht; das hieß, der Mann, den wir treffen sollten, war entweder noch nicht da, oder er verstand es, sich zu verbergen.
Mir ging durch den Kopf, dass dies der ideale Ort war, jemanden zu erschießen.
Vor der Scheune blieben wir stehen. Eine Seite war offen den Elementen ausgeliefert. Ich schaute hinein und konnte außer einem Haufen ausrangierter Agrarmaschinen und ein paar rostigen Öltonnen nichts entdecken.
»Und? Wo steckt der Mann?«, fragte ich und rieb meine Hände, um die Kälte zu vertreiben.
»Hier«, erklang eine Stimme hinter uns.
Ich drehte mich um und sah, wie jemand aus dem Nebengebäude hinter uns trat, von dem aus er offenbar unsere Ankunft beobachtet hatte. Er trug einen langen Mantel und näherte sich uns langsam. Gerade weil er ansonsten eher lässig gekleidet war, fielen mir die teuren ledernen Fahrerhandschuhe auf.
»Sir, das hier ist Jones, der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
Obwohl Cecil es zu verbergen versuchte, klang seine Stimme unterwürfig.
Der Mann, der vor mir stehen blieb, erschien mir wie ein wandelnder Widerspruch. Zum einen war er groß, schlank und durchtrainiert und hatte die klassische Haltung eines ehemaligen Armeeoffiziers, doch andererseits war er fast krankhaft blass, was die Vene, die von der Schläfe über die Wange verlief, so stark hervortreten ließ, dass ich Schwierigkeiten hatte, den Blick davon
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