Bedrohung
mit ihnen gemacht und halte sie im Großen und Ganzen für verlässlich, aber es geht um Geld, und Geld verleitet manchmal die Leute dazu, Dummheiten zu begehen. Deshalb werdet ihr beide bewaffnet sein. Als Bonus gibt’s einen Tausender.«
»Mit welcher Sorte Leute haben wir es zu tun?«
»Die Gefängnisse sind voller Männer, die zu viel reden, Jones. Bei uns läuft alles auf der Basis, nur das Nötigste zu wissen. So ist es für alle viel einfacher.«
Ich wandte mich von ihm ab und schaute über das Feld zu den Bäumen.
»Sie trauen mir immer noch nicht, was?«
»Lass mich dir eins sagen«, entgegnete Cain und zündete sich eine Zigarette an, die er mit der Hand abschirmte. »Als ich vor ein paar Jahren in Lashkar Gah war, hatten wir einen Dolmetscher namens Abdul. Er stammte aus einer guten Familie. Nicht gerade regierungstreu, aber auch nicht anti. Einer seiner Brüder war von den Taliban ermordet worden, deshalb trauten wir ihm. Außerdem war er ein netter Kerl. Gebildet, mit für afghanische Verhältnisse sogar ziemlich modernen Ansichten. Er aß öfter mit den Männern und stellte alle möglichen Fragen über England. Wie die Queen so wäre. Ob die Bobbys tatsächlich keine Waffen trügen. Und er redete gerne über Fußball.«
Cain lachte vernehmlich, doch es klang künstlich. Als hätte er es einstudiert, würde es aber noch nicht richtig beherrschen. »Ich erinnere mich, dass Abdul ein Fan von Liverpool war. Er konnte die Teams der Europapokalsiege von 1978 und 1981 aufzählen. Wir haben ihn immer auf die Probe gestellt, und er hat nie einen Fehler gemacht. Eines Tages redete er in einem der Unterstände bei einer Tasse Tee mit einigen Gefreiten. Plötzlich hörten wir Schüsse. Und Schreie. Wir liefen hin, die Waffen bereit. Da sahen wir Abdul herauskommen. Zuerst dachten wir, er wäre verwundet, aber dann hob er ein SA80, das er einem der Gefreiten abgenommen hatte, und richtete es auf uns. Als er feuerte, war sein Gesichtsausdruck völlig ruhig, fast träumerisch. Und er war kein schlechter Schütze. Er traf einen meiner Feldwebel, der eine Sekunde zu lange gezögert hatte, weil er es einfach nicht glauben konnte, ehe wir anderen das Feuer eröffneten und ihn erschossen.«
Cain sah mich ausdruckslos an. Die Vene auf seiner Wange pochte.
»Als wir den Unterstand betraten, lagen die beiden Gefreiten am Boden. Einer, ein Geordie namens Peterson, war bereits tot. Der andere war dieser riesige Fidschi mit dem unaussprechlichen Namen, den alle nur Hula nannten. Auch ihn hatte es böse erwischt, aber er konnte uns noch erzählen, sie hätten sich ganz normal unterhalten, und plötzlich habe Abdul Peterson die Waffe entrissen und auf sie geschossen. Ohne etwas zu sagen. Ohne ersichtlichen Grund. Hula überlebte seine Verletzungen nicht. Abdul ebenso wenig. So haben wir nie erfahren, was ihn getrieben hat. Ob er ein Schläfer war oder ob die Taliban ihn irgendwie rekrutiert hatten.«
Cain zuckte mit den Schultern.
»Ich persönlich glaube, er war ein Schläfer. Nicht dass das für Peterson oder Hula etwas änderte. Aber der Punkt ist …«
Und jetzt starrte er mich durchdringend an. »… man kann nie vorsichtig genug sein.«
Das jagte mir einen Schauer über den Rücken.
15
11:22
Tina rief Mike Bolt von einem leeren Vernehmungszimmer aus an. Sie fragte den Wärter, ob sie rauchen könne – immerhin schienen die Häftlinge alle ungestraft zu paffen –, aber der sagte ihr, das ginge nicht, was sie extrem ärgerte.
»Jetmir Brozi«, sagte sie, als Bolt abnahm. »Offenbar war er in die Beschaffung der Waffen für den Stanhope-Anschlag verwickelt. Und Fox meint, dass er auch bei den Anschlägen heute mit drinsteckt.«
Dann berichtete sie Bolt kurz die Einzelheiten der Unterredung.
»Er ist überzeugt, dass die Attentate heute Morgen miteinander in Verbindung stehen. Und übrigens, Mike, es wäre echt nützlich gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass es eine zweite Bombe gab, ehe ich mit ihm sprach. Als er von dem Anschlag in Bayswater anfing, kam ich mir total bescheuert vor.«
»Ich habe versucht, dich anzurufen, sobald ich Gelegenheit dazu hatte. Aber dein Handy war ausgeschaltet.«
Er klang gestresst und müde, was überhaupt nicht seine Art war.
»Wie viele Tote haben wir bis jetzt?«
»Neun durch die erste Bombe. Fünf durch die beiden in Bayswater. Der Anschlag dort war darauf abgestimmt, die Polizisten zu treffen, die das Handy zurückverfolgten, mit dem die Verantwortung für das erste
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