Bedrohung
verspeiste. Der Fisch schmeckte stumpf und der Reis fad. Nicht wie zu Hause, wo der Thunfisch aus den planktonreichen Gewässern am Westkap stammte und von Menschen zubereitet wurde, die wie er Wert auf gutes Essen legten. Er unterdrückte einen Anflug von Heimweh. Zu gerne hätte er jetzt den Wellen gelauscht, die am Strand in der Nähe seines Hauses brachen, und die afrikanische Sonne im Rücken genossen, während er ein hübsches Stück Fisch grillte und dazu ein kühles Glas Pinot grigio trank.
An der Flurwand gegenüber der Toilette hing ein Foto von Butt, das ihn in einem schrillen Hawaiihemd und mit einer Hula-Kette zeigte. Er stand an irgendeinem Strand, im Hintergrund war das tiefblaue Meer zu erkennen, und hatte den Arm um eine langbeinige Blondine gelegt, die sich herunterbeugen musste, damit ihr Gesicht mit aufs Bild kam. Butt war in der Tat klein und schmächtig, aber nichtsdestotrotz sah er gut aus und hatte dichtes schwarzes Haar. Er wirkte jünger als einunddreißig; sein breites Grinsen ließ darauf schließen, dass er das Leben genoss und nicht zu ernst nahm. Unglücklicherweise würden die Dinge für ihn äußerst unangenehm werden. Und einmal mehr war Voorhess von der Vorstellung angetan, dass Butt wie so viele seiner Opfer nicht die leiseste Ahnung haben würde, warum seine Welt plötzlich über ihm zusammenstürzte. Er hatte keine Feinde. Er führte ein dezentes Junggesellendasein, und er war allem Anschein nach ein ehrlicher Mensch.
Und dennoch hatte jemand ihn zum Tode verurteilt.
Von draußen waren nun zwei laute Pieptöne zu hören, das Signal, dass die Alarmanlage abgeschaltet wurde. Voorhess schob sich das letzte Stück Sushi in den Mund und griff, noch während er kaute, in seine Tasche.
Die Haustür öffnete sich und wurde wieder geschlossen. Voorhess hörte jemanden an der Toilette vorbeigehen. Er wartete, bis das Auf- und Zuklappen von Schranktüren erklang, dann erhob er sich und schlich durch den Flur in die Küche.
Butt stand mit dem Rücken zur Tür an einer Arbeitsplatte. Er trug einen teuer wirkenden Anzug, und sein Haar, stachelig frisiert, sah aus wie eine postmoderne Skulptur.
Voorhess glaubte nicht an den sechsten Sinn. Er hatte sich, ohne bemerkt zu werden, an zu viele Leute herangepirscht und wusste, dass so etwas nur in der Einbildung existierte. Doch obwohl er sich fast lautlos Butt näherte, drehte dieser sich plötzlich um und starrte ihn, eine leere Tasse in den Händen, entgeistert an.
»Wer sind Sie?«, fragte er. Angst und Schock ließen seine Stimme erzittern und verzerrten sein jungenhaftes Gesicht.
»Ihr neuer Mieter«, sagte Voorhess und streckte ihn mit dem Elektroschocker nieder.
21
13:55
»Der Einwanderungsbehörde zufolge lautet Jetmir Brozis letzte bekannte Adresse 60 Roman Road in Islington. Sie haben das aber in den letzten drei Monaten nicht mehr überprüft. Offenbar haben sie zu wenig Leute.«
Der Bildschirm zeigte das Farbfoto eines Enddreißigers mit harten Gesichtszügen. Er hatte eine auffällig schlechte Haut und kragenlanges schwarzes Haar.
Tina saß im Special-Operations-Büro in Mayfair und lauschte dem Bericht von DC Nikki Donohoe über den Mann, der, wie Fox behauptete, eine Schlüsselfigur bei der Waffenbeschaffung für den Stanhope-Anschlag war.
Neben Tina, Nikki und Mike Bolt befanden sich noch zwei weitere Kollegen in dem offenen Raum im zweiten Stock: DC Omar Balachi sowie DS Mo Khan, ein untersetzter Asiate, der schon ewig mit Mike Bolt zusammenarbeitete und nie viel für Tina übriggehabt hatte.
Bolt hatte Tina den anderen vorgestellt, und nun wurde sie beäugt, während sie sich selbst ein Bild von den neuen Kollegen zu machen versuchte. Sie war ungewöhnlich nervös. Alle hatten sie besonders höflich begrüßt, waren ihr aber mit einer Kühle begegnet, die nicht zuletzt von Khan auszugehen schien; als wollten sie ihr bedeuten, dass sie nicht die Person war, mit der sie enger zu tun haben wollten. Tina hatte das schon viele Male erlebt und sich dennoch nie daran gewöhnen können.
»Mr. Brozi hat es geschafft, die Inhaberin eines britischen Passes zu schwängern«, fuhr Nikki sarkastisch fort. »Deshalb können ihn die Behörden nicht ausweisen. Offenbar hat er das Recht auf ein Familienleben in diesem Land, selbst wenn er gar nicht mit Frau und Kind zusammenlebt.«
Nikkis Worte wurden mit genervten Kommentaren quittiert, doch Tina hatte noch etwas hinzuzufügen.
»Fox hat mir erzählt, Brozi verbringe einen Teil
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