Bedrohung
Stille. Ich rieb mir den Hals. Wo die Garrotte in die Haut geschnitten hatte, fühlte es sich wund an. Schwindel stieg in mir auf, ich versuchte, ihn niederzukämpfen.
»Verdammt, wo hast du gesteckt?«, fragte ich Cecil.
»Gute Frage«, fügte Cain hinzu. »Wir wären beinahe alle beide draufgegangen.«
»Die hatten beim Zaun noch eine Wache postiert. An der musste ich erst vorbei.«
»Was ist mit ihr?«
»Ich wollte abwarten, bis er etwas unternahm. Dann hörte ich dich von drinnen rufen, also habe ich ihn mit dem Messer erledigt und bin, so schnell ich konnte, gekommen.«
Während er sprach, wippte er auf den Fußballen wie ein Fliegengewichtler vor dem Kampf. Der Adrenalinstoß des Feuergefechts war noch nicht abgeklungen. Er sah sich um und musterte die in der Halle verteilten Leichen.
»Scheiße, was war hier los?«, fragte er.
Cain seufzte und warf einen Blick auf Dav.
»Der hat einen Anruf bekommen. Jemand hat ihm erzählt, Brozi – der Mann, der den Deal eingefädelt hat – sei verhaftet worden. Und da sie Jones nicht kannten, dachten sie, er hätte etwas damit zu tun. Schöner Mist. Die Typen waren eigentlich zuverlässige Lieferanten. Aber immerhin haben wir, was wir wollten. Und da sie tot sind, können sie nicht reden. Tut mir leid, dass das passiert ist, Jones. Das habe ich nicht erwartet.«
»Ich auch nicht«, brummte ich. So einfach wollte ich ihn nicht vom Haken lassen. Immerhin wäre ich fast draufgegangen und hatte, aus mehreren Gründen, eine Scheißangst gehabt.
Um Davs Kopf bildete sich eine Blutpfütze, die ich zu ignorieren versuchte. Ich inspizierte den Schnitt an meiner Wade und stellte erleichtert fest, dass es sich bloß um eine oberflächliche Fleischwunde handelte, die bald aufhören würde zu bluten.
Cain wandte sich an Cecil.
»Dann lass uns die Kiste holen und abhauen. Jones, schau nach, ob du alles wiederhast. Früher oder später werden sie hier alles untersuchen, und wenn wir auch nur die geringste Spur hinterlassen, stecken wir in gewaltigen Schwierigkeiten.«
Ich nickte, doch gleichzeitig überkam mich eine unstillbare Neugier. Fünf Menschen hatten gerade wegen einer einzigen Waffe dran glauben müssen. Und diese Waffe sollte gegen die Bewohner Londons eingesetzt werden. Cain interessierte es offensichtlich einen Dreck, wenn Unschuldige ihr Leben verloren, deshalb musste ich zumindest herausfinden, dass es nichts war, was meine Familie betreffen konnte.
Ich folgte den beiden in den hinteren Raum, bis Cain sich abrupt umdrehte.
»Wo willst du hin?«, fragte er.
»Erfahren, wofür ich gerade fast draufgegangen wäre.«
Cain schien einen Moment nachzudenken. Dann sah er zu Cecil hinüber, in das spärlich möblierte Hinterzimmer, wo auf einem Metalltisch eine offene mannsgroße Holzkiste stand. Von meiner Position aus konnte ich nicht erkennen, was sich darin befand.
»Jones ist jetzt einer von uns«, sagte Cecil. »Wir müssen ihm vertrauen.«
Cain sagte nichts, er war eindeutig nicht überzeugt. Doch schließlich nickte er.
Wir gingen zur Kiste und sahen hinein.
Und sofort war mir klar, warum sie dieses Geheimnis um jeden Preis hüten wollten.
37
17:48
Nach einer zwanzig Minuten dauernden Auseinandersetzung mit dem Superintendenten von Islington konnte Mike Bolt endlich dessen Büro verlassen, ohne dass sein Job oder seine Stelle in Gefahr waren. Der Superintendent war stinksauer, weil ein Einsatz auf seinem Territorium in einer Schießerei am helllichten Tag geendet hatte. Und weil der festgenommene Verdächtige nun behauptete, bei der Festnahme von einem der Beamten brutal misshandelt worden zu sein, und tatsächlich Verletzungen aufwies, die seine Behauptung untermauerten. Dass es sich bei der betreffenden Beamtin um Tina handelte, steigerte nur noch seinen Zorn. Wie es schien, hatte der Superintendent nicht die besten Erinnerungen an Tinas Zeit in Islington.
Bolt konnte seinen Standpunkt durchaus nachvollziehen. Immerhin war das Ganze fast katastrophal ausgegangen, weil Tina entgegen seiner eindeutigen Anweisung Brozis Haus nicht sofort verlassen hatte. Nichtsdestotrotz standen dem die Fotos entgegen, die Tina auf seinem Handy entdeckt hatte und die sie auf eine immens wichtige Spur gebracht hatten. Sie stellten eine Verbindung zwischen dem Bombenattentat heute Morgen und Fox her – und damit zu dem Anschlag auf das Stanhope, dessen Hintermänner Bolt seit fünfzehn Monaten vergeblich zu ermitteln versuchte. Fox mochte sich einer Zusammenarbeit
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