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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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dann noch nach einem kurzen, unmerklichen Zögern hinzugefügt: »Schwer genug wird es ihr gefallen sein!«
    Friedrich hatte den bitteren Unterton bemerkt und genickt. Das verstand er gut, auch in der Frau Handwerksmeister Weckerlin schwelten noch Erbitterung und Scham. Die Haushälterin der Dederers habe nur kurz den Korb abgestellt und sei dann fluchtartig wieder verschwunden, sie habe sich schon im Hinausrennen jedes Mal erkundigt, wie es denn ging, und sei dann gleich wieder weggelaufen.
    »Im Dorf zerreißt man sich schon das Maul darüber, dass die Dederers so großzügig zu uns sind«, hatte die Mutter noch beiläufig erzählt. »Gut, die Ahne hat viele Jahre im Haushalt geholfen, vor allem nach dem Tod von Frau Dederer, und die Kiefer beim Großputz oder Waschen unterstützt. Ihr sollten wir auch etwas abgeben, hat das Fräulein Dederer ausrichten lassen, aber das Essen war doch ausdrücklich für uns bestimmt!«
    Friedrich hatte einige Sekunden gebraucht, bis er merkte, dass in dem kurzen Bericht der Mutter eine unausgesprochene Frage gelegen hatte. Aber er zuckte nur kurz mit den Schultern und biss dann aufatmend in das weiche, duftende Brot. Was für ein Genuss war das gewesen! Eines Tages wollte er nur solches Brot essen, duftendes, weiches Weißbrot!
    »Ich kann’s mir nicht so recht erklären«, hatte die Mutter weitergebohrt. »Hat der alte Dederer so einen Narren an dir gefressen? Bist so jung schon Gatterführer geworden und jetzt das ...« Dabei wies sie mit einer ausladenden Handbewegung auf den Tisch. Friedrich hatte geflissentlich ihren Blick gemieden und sich bemüht, nicht so schnell zu kauen und zu schlucken. »Ich bin eben ein guter Arbeiter«, hatte er schließlich gesagt, »bin zuverlässig und akkurat. Das mag der Dederer!«
    »Trotzdem, Fritz ...« Die Mutter hatte ungeduldig den Kopf geschüttelt. »Es ist und bleibt trotzdem ... nun ja, außergewöhnlich!« Und nach einer kurzen Pause hatte sie noch hinzugefügt: »Die Mühlbecks kriegen immer Stielaugen. Ich gebe Guste jedes Mal ein bisschen ab und Lene und Gretl sowieso. Ich nehme an, das ist dir recht. Die kleine Gretl hat sogar ein bisschen Farbe im Gesicht gekriegt und ist bis jetzt auch um die Grippe herumgekommen. Und unserer Emma hat das Essen weiß Gott das Leben gerettet. Ich muss dem Fräulein Dederer schreiben. Ich muss mich unbedingt bedanken.«
    »Nichts da! Das habe ich schon getan und werd’s noch einmal tun! Außerdem hab ich gesagt, dass sie’s mir vom Lohn abziehen sollen.« Friedrich war richtig aufbrausend geworden. »Ich werde meine Familie schon selbst ernähren können, ohne Almosen vom Fräulein Dederer!«
    »Friedrich, jetzt bist du ungerecht! Wo hätten wir die Sachen herkriegen sollen? So etwas gibt es doch gar nicht mehr zu kaufen und auf die Karten bekommt man so etwas schon gar nicht.« Die Mutter hatte dann begonnen, die Krumen vom Tisch zu wischen. Dabei hatte sie es immer noch vermieden, Friedrich anzusehen.
    »Du kannst dir doch denken, was die Leute sagen. Und die Mühlbecks machen auch schon Andeutungen, richtig hässliche Andeutungen. Ich hab’s mir verbeten, aber Friedrich, trotzdem ...«
    »Himmelherrgott!« Friedrich hatte wütend auf den Tisch geschlagen. »Diese Andeutungen kann ich mir schon denken! Verfluchtes, heruntergekommenes Pack! Denen werd ich was erzählen. Da ist nichts. Es ist, wie ich gesagt habe, und jetzt lass mich in Ruhe!«
    Er war selber erschrocken über seinen Ausbruch und hatte reuevoll auf die dünne Gestalt im grauen Baumwollkleid gestarrt. Wie gehe ich denn mit Mutter um?, hatte er gedacht. Ich muss froh sein, dass sie nicht krank geworden ist. Sie würde es nicht überleben, so dürr, wie sie ist. Hoffentlich isst sie auch genug von den Sachen. Ich muss besser auf sie aufpassen.
    Beschämt war er hinüber zum Spülstein gegangen und hatte einen Kuss auf den dünnen, exakt gezogenen Scheitel gehaucht. »Verzeih, Mama. Ich bin noch nicht ganz auf dem Damm. Das Gerede geht mir einfach auf die Nerven. Keine Sorge, ich mache keine Dummheiten.«
    Sie hatte ihn am Arm gepackt und ihm fest in die Augen geschaut. »Das glaube ich dir. Aber ich möchte, dass du zu allem stehen kannst, was du tust. In dir ist so viel vom Weckerlin-Hochmut, von diesem verfluchten Stolz, das macht mir Angst. Verbiege dich nicht, Fritz! Denke daran, dass wir alle Gottes Willen unterliegen.«
    Gottes Wille!, hatte er höhnisch gedacht, dabei aber die Mutter zur Beruhigung fest an sich gedrückt.

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