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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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und plötzlich beschlich ihn eine merkwürdige Angst.
    »Ich nicht, Johannes. Ich muss es dir sagen, muss dir sagen, was noch kein Mensch weiß: Ich bekomme ein Kind, Johannes – ein Kind von Friedrich.«
    Johannes meinte plötzlich aus der Ferne Glockenklänge zu hören, ein sanfter Wind trug sie von Grunbach herüber bis zu dieser Bank. Das Brautpaar verließ die Kirche. Dicht gedrängt standen Menschentrauben auf dem Kirchplatz. Hochrufe wurden laut. Der Herr Direktor Zinser stand sicher mit seiner nervösen Gattin ganz vorne am Portal und gratulierte dem Paar, Friedrich und Elisabeth Weckerlin. Ob Fritz das gewusst hat – ob er gewusst hat, dass Marie ...?
    Er schien laut gesprochen zu haben, denn sie sagte plötzlich: »Nein, er weiß nichts. Ich wollte es ihm sagen, damals, als du gekommen bist. Aber als er mir sagte, dass wir uns trennen müssen, dass er Lisbeth Dederer heiraten wird ... Er darf es nie erfahren, Johannes, versprich es mir!«
    »Aber er wird es sich denken können.«
    »Es soll nie ausgesprochen werden, niemals. Versprich es mir, Johannes!«
    »Und was soll nun werden?«
    Sie senkte den Kopf, ganz tief. Dicke Tropfen fielen auf ihre Hände, die sie unaufhörlich gegeneinander rieb. »Am schlimmsten wird es, wenn ich es meiner Mutter sagen muss. Davor fürchte ich mich so. Und Vater – er wird so enttäuscht sein. Ein uneheliches Kind ... Hoffentlich werfen sie mich nicht hinaus.«
    Er nahm ihre rechte Hand und hielt sie fest. Lange saßen sie so da, keiner sagte etwas. Auf einmal wusste er ganz genau, was er tun würde. Es war gut und richtig, es zu tun. Man musste eben seinen Preis bezahlen. Und der war nicht zu hoch, davon war er überzeugt, es war nicht so wie bei Friedrich. Er sagte es ihr und sie starrte ihn fassungslos an.
    »Du willst mich immer noch? Und das Kind ...?«
    Er musste lange reden, musste auch vor sich selbst alles klar darlegen. Wenn Marie ihn mochte – gut, es war keine himmelstürmende Liebe wie bei Friedrich, aber es war eine gute Grundlage für ein gemeinsames Leben. Und er liebte sie. Und das Kind würde in geordneten Verhältnissen aufwachsen.
    »Warum sollen wir allein durchs Leben gehen, wenn wir miteinander eine bessere und schönere Zukunft haben können? Ich wollte dir an deinem Geburtstag einen Heiratsantrag machen. Ich war so fest davon überzeugt, dass wir miteinander ein gutes Leben haben werden. Schau, Marie, ich war immer allein! Dann kam Friedrich und ich hatte einen Freund. Aber es hat nicht gehalten. Vielleicht habe ich dafür jetzt eine Liebste.«
    Später würde er sich immer wieder an diesen Augenblick erinnern, als sie ihm weinend um den Hals gefallen war und etwas von ewiger Dankbarkeit geflüstert hatte. Ich will nicht, dass du mir dankbar bist, ich will, dass du mich liebst, hatte er gedacht und er war so voll des guten Willens und der Hoffnung gewesen. Er würde seinen Preis bezahlen um der Liebe und des Glücks willen!

34
     
    Anna steht im Garten des Urgroßvaterhäuschens und betrachtet versonnen die Fassade aus ehemals weißen Schindeln, die jetzt von einem grauen Film überzogen sind. Trotzdem wirkt das Häuschen heimelig, denkt sie. Vielleicht auch wegen der Zwetschgen- und Mirabellenbäume, die ihre Zweige bis vor die blinden Fensterscheiben strecken.
    Lass dir Zeit, hat Richard gesagt und ist mit Fritz gleich in das Haus hineingegangen, um zu sehen, »was der Holzwurm macht«.
    Anna ist froh, sie will das Haus lieber erst mal alleine anschauen. Bloß nicht die ganze Zeit mit Fritz rumstehen müssen! Was soll sie ihm auch sagen? Irgendwie ist sie auf einmal furchtbar befangen ihm gegenüber. Geküsst hat er sie gestern, als sie vor der Haustür standen. Einfach so, aus heiterem Himmel geküsst. Seitdem ist sie ganz verwirrt. Er ist wirklich nett, denkt sie mit einem Kribbeln im Bauch. Und schön war’s gestern Abend auch, in dem verrauchten Lokal mit den schrägen Leuten und der etwas seltsamen Musik. Aus Berlin ist sie zwar anderes gewöhnt, aber es war auf jeden Fall eine Abwechslung zu Gretls betulicher Wohnstube mit Kuckucksuhr und Sammeltassen.
    »Erstaunlich, wie du es bei Gretl aushältst. Ist ja nicht gerade prickelnd, das Programm, das dir dort geboten wird«, hat er grinsend gemeint, ist aber gleich darauf rot geworden und hat sich schnell entschuldigt. »War blöd von mir – wo doch deine Mutter erst gestorben ist. Der Sinn steht dir bestimmt nicht nach Weggehen und so.«
    Aber das ist es nicht allein, warum sie Ruhe

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