Befehl von oben
würde.
»Kommen Sie, Arnie. Sie sind der loyalste Mensch in dieser Stadt. Verdammt, Sie würden einen großartigen Hausarzt abgeben. Wir alle wissen das. Ryan aber hat keine Ahnung. Die Rede in der Kathedrale, diese bekloppte Ansprache aus dem Oval Office. Er hat soviel von einem Präsidenten wie der Vorsitzende der Rotarier in Bumfuck Iowa.«
»Und wer entscheidet, was ein Präsident an sich haben soll und was nicht?«
»In New York tue ich das.« Der Reporter grinste erneut. »Bezüglich Chicago müssen Sie jemand anderen fragen.«
»Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten.«
»Da sagt aber Ed Kealty etwas anderes, und zumindest agiert Ed wie ein Präsident.«
»Ed ist aus dem Spiel. Er ist zurückgetreten. Roger ist diesbezüglich von Secretary Hanson angerufert worden und hat mir davon erzählt.
Verdammt noch mal, Sie haben doch selber darüber berichtet.«
»Aber was für ein Motiv könnte er denn haben für …«
»Was für ein Motiv könnte er denn, haben, jeden Rock durchzuziehen, der ihm in die Quere kommt?« echauffierte sich der Stabschef.
Großartig, dachte er, jetzt verliere ich die Kontrolle über die Medien!
»Ed ist immer ein Schwerenöter gewesen. Seit er nicht mehr säuft, hat er sich gebessert. Aber es hat sich nie auf seine Arbeit ausgewirkt«, Stellte der Berichterstatter klar. Wie seine Zeitung war auch er eifriger Verfechter der Frauenrechte. »Die Sache muß wohl ausgespielt werden.«
»Welche Position wird die Times beziehen?«
»Ich lasse Ihnen eine Kopie des Leitartikels zukommen«, versprach der Reporter.
*
Er hielt es nicht mehr aus. Er nahm den Hörer ab und wählte die sechs Zahlen, während er in die Finsternis hinausstarrte. Die Sonne war untergegangen, und dicke Wolken zogen heran. Es würde eine kalte, regnerische Nacht werden, die dann wieder zu einer Dämmerung führte, die seine Augen erblicken mochten oder auch nicht.
»Ja?« sagte eine Stimme mitten ins erste Klingeln hinein.
»Badrayn hier. Es wäre günstig, wenn das nächste Flugzeug größer wäre.«
»Wir haben eine 737 bereitstehen, aber ich brauche die Autorisierung, sie zu schicken.«
»Darum werde ich mich kümmern.«
Es waren die Fernsehnachrichten, die ihn in Bewegung gesetzt hatten. Es hatte diesmal nicht eine einzige politische Meldung gegeben.
Und das bedrohlichste war, daß es einen Bericht über eine Moschee gegeben hatte, eine alte schiitische Moschee, die verfallen war. Der Bericht beklagte die Tatsache und führte an, daß dieses Gebäude eine lange, ehrenvolle Geschichte hätte, ignorierte aber, daß es verfallen war, weil es als Treffpunkt für eine Gruppe Verschwörer gedient hatte, die, wahrscheinlich zu Recht, verurteilt worden waren, weil sie den Tod von Iraks gefallenem, geliebtem, großem und augenscheinlich bald vergessenem politischen Führer herbeiführen wollte. Und das allerschlimmste war, daß das neu aufgenommene Filmmaterial fünf Mullahs zeigte, die vor der Moschee standen, aber nicht direkt in die Kamera schauten, sondern nur auf die ramponierte blau gekachelte Wand zeigten und vermutlich diskutierten, was zu tun war. Die fünf waren genau dieselben, die eingeflogen worden waren, um als Geiseln zu dienen. Aber nicht ein einziger Soldat war auf dem Bildschirm zu sehen, und die Gesichter von mindestens zweien der Mullahs waren den irakischen Zuschauern bekannt. Jemand mußte zu der Fernsehstation gegangen sein, genauer, zu den Leuten, die dort arbeiteten. Wenn die Reporter und die anderen dort ihre Arbeitsplätze und ihre Köpfe behalten wollten, dann war es für sie Zeit, sich einer neuen Realität zu stellen. Ob die wenigen kurzen Augenblicke auf dem Bildschirm dem einfachen Volk genügten, die Gesichter der Besucher zu erkennen – und die Botschaft zu verstehen? Die Antwort auf diese Frage zu suchen könnte gefährlich werden.
Aber die einfachen Leute kümmerten sich nicht darum. Oberste und Majore taten das. Generäle, nicht auf der richtigen Liste, taten es. Ziemlich bald würden sie es wissen. Einige wußten es vermutlich schon. Sie würden am Telefon hängen, die Leiter aufwärts telefonieren, um zu hören, was los war. Einige würden Lügen hören. Andere würden nichts hören. Sie würden anfangen zu überlegen. Sie würden beginnen, Kontakte zu knüpfen. Im Laufe der nächsten zwölf Stunden würden sie untereinander diskutieren und schwere Entscheidungen treffen müssen. Das wären die Männer, die mit dem sterbenden Regime identifiziert würden.
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