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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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schöner gewesen, erst Montag morgens zurückzukehren, aber das hätte bedeutet, die Kinder zu früh zu wecken. Jack jr. und Sally mußten sich sowieso auf Schularbeiten vorbereiten, und für Katie mußte ein neues Arrangement getroffen werden. Camp David war so anders gewesen, daß die Rückkehr fast eine Art Schock war. Sobald der Regierungssitz vom Helikopter aus zu sehen war, wechselten Ausdruck und Stimmung abrupt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren massiv gesteigert worden, und das erinnerte auch daran, wie wenig attraktiv dieser Ort und das Leben darin für sie waren. Ryan stieg als erster aus, salutierte vorm Marine am Ende der Treppe und sah zur Südfassade des White House hoch. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Willkommen zurück in der Realität. Präsident Ryan geleitete seine Familie hinein und begab sich nach zum Oval Office.
    »Okay, was passiert?« fragte er van Damm.
    »Die Untersuchung hat noch nicht viel zutage gebracht. Murray rät zur Geduld, es läuft alles. Bester Rat, Jack: einfach weitermachen«, sagte ihm der Stabschef. »Morgen ist ein anstrengender Tag. Die Stimmung im Lande ist für Sie. In solchen Zeiten gibt es immer eine Welle von Sympathie für …«
    »Arnie, ich bin nicht auf Stimmenfang aus, klar? Es geht mir nicht darum, daß die Leute mir besser gesinnt sind, nachdem Terroristen meine Tochter angegriffen haben«, stellte Jack fest, mit wieder erwachender Wut nach zwei Tagen Erleichterung. »Falls ich je daran dachte, in diesem Job zu bleiben, hat mich die letzte Woche davon geheilt.«
    »Nun ja, aber …«
    »Zur Hölle mit ›aber‹! Von hier will ich nur eines mit zurücknehmen: mein Leben und meine Familie, sonst nichts. Falls jemandem Prunk und Umstände dieses beschissenen Gefängnisses gefallen, bitte. Ich weiß es jetzt besser. Gut«, sagte POTUS bitter, seine Office-Stimmung wieder voll in Fahrt. »Ich tue den Job, halte die Reden und versuche, etwas sinnvolle Arbeit zu leisten. Aber verdammt sicher ist, daß es nicht wert ist, sich von neun Terroristen die Tochter fast killen zu lassen. Auf diesem Planeten gibt es nur eins, was man hinterläßt: seine Kinder. Darum geht's, Arnie.«
    »Es sind ein paar harte Tage gewesen, und …«
    »Was ist mit den Agenten, die starben? Und ihren Familien? Ich bin hier schon so eingesessen, daß ich kaum an sie gedacht habe. Es ist ja wichtig, daß ich mich mit so was nicht aufhalte, richtig? Auf was soll ich mich konzentrieren? ›Pflicht, Ehre, Vaterland‹? Wer dazu fähig ist und seine Menschlichkeit abschalten kann, gehört nicht hierher, und der Job beginnt, mich in einen solchen Menschen zu verwandeln.«
    »Sind Sie fertig, oder soll ich Ihnen einen Karton Taschentücher besorgen?« Einen Augenblick lang sah es aus, als wolle der Präsident van Damm eine kleben. Arnie trotzte sich durch. »Jene Agenten starben, weil sie Jobs wählten, die ihnen wichtig erschienen. Soldaten tun's genauso. Wie zur Hölle glauben Sie, daß ein Land entsteht? Durch nette Gedanken? So blöde sind Sie früher nicht gewesen. Sie waren mal ein Marine. Haben Ihren Teil für CIA getan. Da hatten Sie noch Klöten. Sie haben einen Job, zu dem Sie sich freiwillig gemeldet haben, auch wenn Sie's nicht zugeben wollen. Und jetzt sind Sie hier. Sie wollen davonlaufen, gut – laufen Sie. Sagen Sie nicht, es sei einerlei. Wenn Menschen zum Schutz Ihrer Familie gestorben sind, verfluchte Scheiße, wagen Sie zum Teufel noch mal nicht, zu behaupten, es wäre wurscht.« Van Damm stürmte aus dem Office heraus, ohne sich um die Tür hinter sich zu kümmern.
    Ryan wußte dann eigentlich nicht, was tun. Er setzte sich an den Schreibtisch. Da waren die üblichen Papierstapel, geordnet vom nimmermüden Stab. Hier China, da der Nahe Osten, dort Indien. Hier gab es Vorinformation zu den Wirtschaftsindikatoren, da politische Vorhersagen zu den 161 Kongreßsitzen, die in zwei Tagen besetzt würden. Hier war ein Bericht zum Terroristenüberfall. Hier war eine Liste der gefallenen Agenten, mit Listen der Ehegattinnen, Eltern und Kinder und, im Fall von Don Russel, Enkelkinder. Die Gesichter kannte er alle, aber Jack mußte zugeben, daß er sich die Namen nicht alle gemerkt hatte. Sie waren gestorben, um sein Kind zu schützen, und er wußte nicht mal alle Namen. Schlimmer noch, er hatte zugelassen, das man ihn wegkarrte, ihn in weiterem Komfort schwelgen – und vergessen ließ. Aber hier war alles auf dem Schreibtisch, wartete auf ihn und würde nicht verschwinden. Und er

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