Begegnung in Tiflis
werden wir sein.« Kolka Iwanowitsch steckte die Rubelscheine in seine Rocktasche. »Aber daran denken wir noch nicht. Erst über die Grenze.«
»Und wann, Väterchen?« fragte Dimitri leise. Für ihn war es besonders schwer. Er verließ seine Heimat und ging ins Ungewisse. Und dort war niemand, der ihn liebte, außer Kolka und Wanda Fjodorowa. Zwei Menschen nur auf der riesigen Welt. Ist das genug für ein ganzes Leben?
»So schnell wie möglich«, sagte Kolka Iwanowitsch. »Systematisch müssen wir vorgehen. Nur einmal können wir flüchten. Fängt man uns, ist unser Leben keine Kopeke mehr wert. Für uns gibt es in den Bergwerken von Karaganda kein Überleben mehr.«
Und so geschah es … man bereitete sich schrittweise und unauffällig vor.
Kolka kaufte Konserven und Fruchtsäfte in Plastikflaschen.
Dimitri hob in Abständen von jeweils zwei Tagen über eine Woche hinweg sein Sparkonto ab.
»Heiraten will ich, Genossen!« verkündete er in der Sparkasse. »Aber teuer ist's. Weiß man vorher, was das alles kostet? Da fehlt ein Gläschen, dort ein Tellerchen, und Vasen müssen her für die geschenkten Blumen. Und die Möbel. Genossen, ein Kreuz ist's! Man wird arm, wenn man heiratet.«
Die Leute von der Sparkasse lachten und wünschten viel Glück und gesunde Kinderchen. Und keiner schöpfte Verdacht.
Bettina ließ sich als erstes die Haare färben. Kolka machte es. Er hatte das Haarfärbemittel geholt und die Friseusen damit entsetzt, daß er mit lauter Stimme verkündete: »Seht mich an, ihr Vögelchen! So sieht ein Mann in den besten Jahren aus, dem die Frauen nachlaufen! Her mit einer Haarfarbe! Tiefschwarz! Wie die Sünde, hehe! Ich wette, wenn ich meine Haare färbe, kann mich niemand von einem Dreißigjährigen unterscheiden. Das macht der grusinische Wein, ihr Täubchen. Der geht ins Blut, der konserviert die Organe.«
Man war froh, als der protzende Alte endlich wieder aus dem Laden war und sein Haarfärbemittel mitgenommen hatte. Tief schwarz.
Als sie sich die Haare gefärbt hatte, erkannte man Bettina kaum wieder. »So ist das, das ist der Mensch; ein bißchen Farbe aufs Haupt und schon ist es ein Fremder«, sagte Kolka philosophisch. »Wie sehen wir eigentlich wirklich aus? Man sollte die Pferde fragen können, wie sie uns sehen.«
An einem Nachmittag – Dimitri fuhr wieder seinen Ölleitungsabschnitt ab – ließen sich Kolka und Bettina bis an den Stadtrand bringen, mit einem Omnibus, und mieteten bei einem Verleiher zwei Maulesel, mit denen sie hinein ins Gebirge und zu den Weinhängen ritten.
In den kleinen Dörfern gingen sie dann von Hütte zu Hütte, belästigten die Bauern mit Ausrufen wie »Freundschaft und Frieden!« oder »Es lebe der Bauern- und Arbeiter-Staat« und fragten immer wieder:
»Genossen, wir brauchen einen Karren und zwei Pferde. Stellt euch vor – vergiftet hat man sie uns! Der Satan hole die Mörder. Vier Pferdchen hatten wir, liebe, kleine Gäulchen, und eines Morgens lagen sie auf der Wiese und machten keinen Pieps. Was soll man ohne Pferde machen, sagt es selbst, Freunde?«
Man sah das alles ein, aber verkaufen wollte man nicht. Die Sache hatte nämlich einen Haken: Die Pferde waren gezählt und registriert, und jeder Verkauf mußte dem Dorfsowjet gemeldet werden, schon wegen der Steuer. Zahlte man aber die Abgaben, Genossen, wir kennen das: Es lohnt sich nicht, solch ein Geschäft. Nur Schwierigkeiten kann man bekommen, vor allem, wenn man die Pferdchen verkauft, die man heimlich in der Scheune hat.
Gegen Abend erst fanden Kolka und Bettina einen Bauern, der bereit war, einen Karren zu verkaufen. Einen kleinen, wackeligen, hochrädrigen Wagen, um den Kolka herumging und sagte: »Ist mit dem der gute alte Noah von den Bergen gekommen, als die Arche landete?«
»Ihr braucht ihn nicht zu kaufen!« schrie der Bauer. »Ein vorzüglicher Wagen ist's! Bestes Holz! Und sieh dir die Räder an! Eisenbänder haben sie sogar! Nur weil ich einen größeren brauche, gebe ich ihn her. Ans Herz ist er mir gewachsen!«
Für hundert Rubel – einen Sündenpreis, wie Kolka jammerte – kaufte er den Karren und versprach, ihn morgen abzuholen. Von dem glücklichen Bauern erfuhr er auch, daß der Nachbar vier Pferde habe, von denen keiner etwas wußte, und so war es klar, daß Kolka an diesem Abend auch zu seinen Pferdchen kam.
Er sagte nur: »Guten Abend, Brüderchen! Ich komme von Fedja, nebenan. Er sagte mir, du könntest sechshundert Rubelchen gebrauchen. Sechshundert,
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