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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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wie eine tiefe Wunde.
    Clausing hielt sie, während sie aufschluchzte und weinte, und wiegte sie in seinen Armen, bis ihre Füße sie nicht mehr trugen. Und die ganze Zeit hatte sie Adrians Augen vor sich, die sie unentwegt voller Vorwürfe und Einsamkeit anstarrten. So hatte sie diese warmen, braunen Augen nie zuvor gesehen – dunkel, fast schwarz, eiskalt und angefüllt mit Schmerz und abgrundtiefem Hass. Es hatte ihr das Herz zerrissen, als die Pfleger ohne Rücksicht auf ihre Anwesenheit Adrian mit Gewalt ruhigstellten.
    Und sie allein trug die Schuld an dieser unwürdigen Behandlung, die er nicht verdient hatte. Nicht Adrian!
    Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie weinte. Es schien ohne Ende. Trauer , Angst und Verzweiflung waren zu lange unterdrückt worden, sie ließen sich nicht länger zurückhalten. Sie weinte in jammervollen, krampfhaften Schluchzern. Sie weinte, bis ihr die Lunge schmerzte und ihre Augen fast zugeschwollen waren. Sie weinte, bis ihre Kehle rau war und sie die Geräusche eines verletzten Tieres von sich gab. Matthias hielt sie fest umschlungen und kümmerte sich nicht darum, dass sie sich seiner Umarmung widersetzte, dass sie ihn trat und kratzte. Sie bearbeitete seine Brust mit ihren Fäusten. Schließlich hielt er ihre Hände fest und erstickte ihren Angriff, indem er seine Lippen auf ihren Mund presste. Da fing sie an zu würgen. Er trug sie ins Bad und hielt sie, während sie sich übergab.
    Irgendwann hörte sie schließlich aus purer Erschöpfung auf zu weinen. Regungslos und matt wie ein Schmetterling mit durchnässten Flügeln hing sie in Clausings Armen , der ihr ohne Unterlass beruhigende Worte zuflüsterte und ihr besänftigend über das Haar strich. Sie besaß nicht die Kraft, sich gegen ihn zu wehren, und ließ ihren Kopf widerstrebend unter seinem Kinn ruhen. Zwischen blassen Lippen kam ihr Atem flach und ihre kleinen Fäuste lagen auf seiner Brust.
    „ Schscht. Es ist gut. So ist es gut. Du musst endlich allen Kummer und Zorn loswerden. Das hilft. Und irgendwann wird alles wieder gut, glaube mir. Du bist nicht allein, Suse, vergiss das niemals. Wir schaffen das.“
    „Ich bin allein“, presste sie schluchzend an seiner breiten Brust hervor. „Und ich vermisse ihn so sehr.“
    In diesem Augenblick breitete sich ein vollkommen unbekanntes Gefühl in Clausings Innerem aus. Ein seltsamer Druck in der Brust, wenn er an Susanne und Ossi dachte. Zwar waren sie momentan getrennt, trotzdem konnten sie sich sicher sein, dass sie zueinander gehörten. Ihre Liebe machte, dass sie nicht allein waren und selbst die längste Trennung überwinden würden. Wie hatte er sich einbilden können, es würde ihm gelingen, Suse mit ein paar billigen Worten über ihre Niedergeschlagenheit hinwegzutrösten?
    „Wie konnten sie ihm das antun? Er wollte niemandem etwas Böses. Sie haben ihn … in diesem … wie einen Schwerverbrecher … Sie werden ihm wehtun, Matt’n. Und dabei hat er sich so gefreut, dich zu sehen. Dich und Manuel.“
    Das gleichmäßig sanfte Streicheln seiner Hände beruhigte sie allmählich. Er hatte eine w ahrhaft überzeugende Art, die Menschen in seinem Sinn zu beeinflussen. Er erreichte, was er wollte, immer und unter allen Umständen. Mit Worten oder einem Blick oder ganz einfach bloß durch eine leichte Berührung. Mühelos brachte er sie dazu, von Dingen zu sprechen, von denen sie selbst nicht einmal wusste, wie sehr sie ihr auf der Seele brannten.
    Als sie jetzt zu ihm aufschaute, konnte sie sich bereits wieder zu einem mickrigen Lächeln durchringen. „Ich will nicht, dass mir das zur Gewohnheit wird. Ich hasse es, wenn du mich so siehst.“
    „Wofür sind Freunde gut, wenn sie nicht in solchen Augenblicken zur Stelle sind, wenn man allein ist und Hilfe braucht?“
    „Ich habe dich nie als Freund betrachtet“, gestand sie leise und in ihrer Stimme schwang so etwas wie Verwunderung mit. Eine Entschuldigung.
    „ Dann wird es wohl Zeit, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, meinst du nicht? Ossi ist mein Freund, ich liebe ihn und du liebst ihn, also …“ Er lächelte fein und strich Suse das Haar aus der Stirn. Also war es doch nur folgerichtig, setzte er seinen angefangenen Satz in Gedanken fort, wenn sie ihm ebenfalls gewisse Gefühle entgegenbrachte, oder nicht? „Ossi war überglücklich, dass du bei ihm warst. Du hast ihm Manuel gebracht. Es war wie ein Licht, das in ihm aufgegangen ist. Das musst du doch bemerkt haben – Stolz und Glück und

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