Begegnungen (Das Kleeblatt)
vertraut. Ich habe ihm sogar mein Wort gegeben, Hilfe für ihn zu holen. Und auch ihn habe ich letztlich im Stich gelassen.“
Erschüttert hatte Alain seiner Frau zugehört. Mit den letzten Worten beschrieb sie genau jenes Bild, das sich ihr geboten haben musste, als sein Vater ihn misshandelt hatte. Sie teilten den gleichen Albtraum. Er ging vor ihr in die Hocke und legte seine Hand an ihre tränennasse Wange. Sein Daumen streichelte sie sanft und voll Mitgefühl.
„ Bea, du hast getan, was du konntest.“
„Nein! Nein, das habe ich nicht!“, widersprach sie und schüttelte heftig den Kopf. „Ich hätte niemals allein dorthin gehen dürfen. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Und dabei hattest du mich mehr als einmal davor gewarnt , in dieser Sache etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Wenn ich auf dich gehört hätte, wenn ich einmal nur mein Hirn benutzt hätte, anstatt impulsiv zu entscheiden und zu handeln, hätten wir ihn retten können.“
„Was sie diesem Mann angetan haben, ist nicht deine Schuld, Bea. Diese Verbrechen haben nichts mit dir zu tun.“
„Du irrst dich, wenn du das glaubst. Wir haben genauso von dem Treiben dieser Sadisten profitiert.“
Fragend zog Alain die Stirne kraus.
„Deine Niere kam von Doktor Ferrards Organlieferanten.“ Sie schluckte und straffte die Schultern. „Das Haus, in dem ich festgehalten wurde, gehörte Stojan Stojkow. Erinnerst du dich an diesen Namen? Es war Stojkow, von dem Jean Chasseur vor seinem Tod sprach. Sein Mörder.“
Ihre letzten Worte hingen auch noch zwischen ihnen, als sie längst wieder im Hotel angekommen waren. Allmählich verstand er Beates Schmerz. Die Grausamkeiten, die sie mit hatte ansehen müssen, gingen weit über jedes Vorstellungsvermögen hinaus. Ausgerechnet Beate, sein kleiner, zerzauster Besen mit dem großen, mitfühlenden Herzen, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte! Was sollte er jetzt zu ihr sagen, wie sie trösten? Es gab keine Worte, die ihre Schuldgefühle auslöschen konnten.
„Wusstest du von deiner Schwangerschaft, als du gegangen bist?“
Ein weicher Zug ließ ihr Gesicht aufleben. Schlagartig ähnelte sie wieder der unbekümmerten, lebenslustigen Frau, in die er sich verliebt hatte. Er fühlte sich um Jahre zurückversetzt in eine Zeit, als für sie der Himmel über Paris voller Geigen gehangen hatte. Sein Herz schlug schneller.
„Nein. Nein, ich habe es nicht einmal geahnt. Aber ich war so glücklich, als ich es bemerkte, dass ich am liebsten sofort zu dir zurückgekommen wäre. Ich wollte wirklich , denn du hattest es verdient, der Erste zu sein, der davon erfährt. Da war es freilich schon zu spät.“
Ihre Stimme ging in ein kaum wahrnehmbares Wispern über. „Sie haben mir Cat unter der Bedingung gelassen, weil ich einwilligte … wenn ich ihnen als Ersatz für deine Tochter ein anderes Kind … Ich hatte kein Recht dazu, doch in Cat habe ich immer auch dich gesehen. Das Kind unserer Liebe. Ich wollte sie um keinen Preis verlieren. Nicht auch noch sie. Solange ich sie um mich habe, bist du bei mir. Katrin und mit ihr die Erinnerung an dich haben mir die Kraft gegeben durchzuhalten.“
„Ich schwöre dir, selbst wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tue, ich bringe euch weg aus dieser Hölle.“
Nicht allein sein harter Tonfall drückte Entschlossenheit aus. Er wollte endlich die Verantwortung für seine Familie übernehmen. Er war nicht wie sein Vater! Niemals würde er sein Kind verleugnen.
„Wir werden in das Dorf fahren und alle Dokumente holen, die ich benötige, um für Cat einen Pass zu beantragen. Und wenn du selber nicht mit zur Botschaft kommst, wirst du mir eine Vollmacht ausstellen. Ich weiß nicht, wie lange ich wegbleiben werde.“
Mit einem heftigen Ruck hatte er Beate an sich gezogen und sein kalter Blick ließ sie frösteln. „Und du wirst auf mich warten, hast du verstanden?“
Sie nickte kaum merklich.
„Ich hole den Jeep. Je früher wir fahren, desto mehr Zeit habe ich in der Hauptstadt.“
„ Und Katrin?“, wagte Beate einen zaghaften Einwurf.
„Geh schon voraus und erkläre ihr …“ Nach kurzer Überlegung schüttelte er den Kopf und hielt sie an den Handgelenken zurück. „Nein, warte. Ich kann dich nicht allein lassen. Nicht, solange diese Mörder hier frei herumlaufen. Wir fahren gemeinsam an der Krankenstation vorbei und sagen Cat, dass wir erst spät in der Nacht zurück sein werden. Wird sie … sie wird es doch verstehen? Ich könnte ihr
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