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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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ändern, dass er eigentlich vor Scham im Boden hätte versinken müssen.
    A m Abend zuvor war er nicht bloß spät nach Hause gekommen, sondern obendrein betrunken gewesen. (Eine treffendere Bezeichnung seines Zustandes verschluckte er in Anbetracht der strengen Erziehung, die er einst genossen hatte.) Er glaubte sich sogar vage erinnern zu können, ziemlich dröhnig gewesen zu sein, sodass er nicht einmal bemerkte, dass der blonde Engel, der sich in der Nacht dicht an seinen erregten Körper gedrängt hatte, keine Traumgestalt war.
    Er fluchte lautlos vor sich hin. Nein, er hatte sich Suse gegenüber nicht unsittlich benommen. Doch, natürlich hatte er sie berührt, ihre seidenweiche Haut gestreichelt und gekostet, zu mehr allerdings war er nicht fähig gewesen.
    Sicher nicht.
    Er schüttelte heftig den Kopf. Es durfte nicht sein. Obwohl es sich bei diesem Besäufnis um einen seiner seltenen Ausrutscher gehandelt hatte, hätte Suse bei dem Anblick eines fremden und dazu betrunkenen Mannes in ihrem Bett zweifelsohne Rot gesehen. Und da war es völlig gleichgültig, dass sie sich so fremd eigentlich gar nicht waren, hatten sie doch bereits zuvor das Bett geteilt. Damals. In der Nacht aller Nächte.
    Noch nachträglich machte er drei Kreuze, zwe i Tage zuvor die orgiastische Beziehung zu einer vollbusigen, rothaarigen Wildkatze beendet zu haben. Er hatte sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt. Offenbar verfügte er über einen siebten Sinn. Nicht auszudenken, wenn er und sie … Und dann Susanne! Wenngleich er durch göttliche Fügung diesem Gipfel der Geschmacklosigkeit entkommen war, würde er seine Schuld bei Susanne in diesem Leben nicht mehr abtragen können.
    Mit widerstreitenden Gefühlen schlich er die Treppe hinab in das Erdgeschoss, wo sich neben der Küche und dem Esszimmer ein Gästezimmer mit Bad befand. Ungeachtet seines nackten Oberkörpers und der morgendlichen Kühle in der Wohnung stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn. Er schüttelte sich, als ein Tropfen vom Nacken zwischen den Schulterblättern hinab lief, bis er von seinem Hosenbund aufgesaugt wurde. Er brauchte dringend eine Dusche, um aus sich wieder einen Menschen zu machen und die Spuren seines nächtlichen Alkoholexzesses zu beseitigen. Eigentlich war es kein Wunder, wenn Suse angesichts seines abgerissenen Aussehens den Schreck ihres Lebens bekommen hatte. Willkommen in den Abgründen der Zivilisation!
    Mit dem blütenweißen Hemd, Krawatte und der blauen Uniformhose, die er wenig später über seinen in jeder Hinsicht ernüchterten Körper gezogen hatte, fühlte er sich schon bedeutend besser und ein Teil seiner Selbstsicherheit kehrte zurück.
    Er ahnte nicht, wie illusorisch es war, diesen Zustand über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu wollen.
     
    Der verführerische Duft frisch gebackener Brötchen und das Gefühl beobachtet zu werden, weckten sie aus ihren Tagträumen.
    Wie immer hatte sie die Minuten genossen, die sie in Stille und Harmonie mit dem Winzling verbrachte. Es waren Momente, die ganz allein ihr gehörten, weil nie ein anderer mit dieser Intensität daran würde teilhaben können. Friedlich vor sich hin dämmernd lag Manuel nach seiner Morgenmahlzeit in ihrem Arm und schmatzte satt und zufrieden vor sich hin. Behutsam entzog sie ihm die feuchte Brustwarze, hob ihn an ihre Schulter und klopfte ihm sanft auf den Rücken. Er verzog sein Mäulchen, ehe er ein Bäuerchen machte, als hätte er gerade einen ganzen Krug Bier in einem Zug geleert.
    Ihr Blick traf den Mann, der sich mit tränenverhangenen Augen zu ihr umdrehte, und Suse wusste, dass sie für alle Zeiten verloren war. Mit einem verzückten Ausdruck auf dem kantigen Gesicht hatte er das idyllische Bild der Zweisamkeit von Mutter und Kind in sich aufgesogen, minutenlang, reglos und mit einem unerklärlichen Gefühl von tiefer, reiner Zuneigung.
    Für einen Augenblick hatte er sich selbst als einen Teil dieses Gemäldes gesehen.
    Er zuckte zusammen und sein Lächeln erstarrte, als er die Augen der Frau auf sich gerichtet sah.
    „Tut mir leid. Ich … ich wollte … Suse, ich kann nicht so tun, als würde ich nicht hinschauen“, gestand er leise. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Es ist ein Wunder, wie … Ich kann nicht ausdrücken, was ich empfinde, weil es derart intensiv ist, dass es sämtliche Saiten zum Klingen bringt und alle Sinne anspricht. So stelle ich mir das Paradies vor.“
    Auf eine erneute Schimpfkanonade oder noch Schlimmeres

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