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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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Schreiben zusammen mit diesem Korb geben.« Sie stellte ihn auf die Erde, knickste und wandte sich zum Gehen. »Gott zum Gruße, Schwester.«
    Ysée ergriff die Rolle nur widerstrebend, und Katelin eilte davon, als ahne sie, dass sie das Dokument beim nächsten Atemzug wiederbekommen würde.
    Ysée ließ das Pergament auf den Korb fallen, als sei es ein Stück glühende Holzkohle. Sie wollte keine Verbindung zu Piet Cornelis. Er war ihr unheimlich, und sein Dank verpflichtete sie nur. Allerdings hatte sie kein Recht, auch seine Almosen zurückzuweisen.
    Prüfend hob sie den Weidenkorb an. Er war so schwer, dass sie die zweite Hand zu Hilfe nehmen musste. Das Gewicht und die Düfte, die ihm entströmten, versprachen Schätze, die eine verführerische Abwechslung in das Einerlei aus Gerstenbrei und Kohlsuppe bringen würden, von dem sich Ysée und Berthe größtenteils ernährten. Aber es war Sache der Magistra, über die Spenden zu befinden und sie aufzuteilen. Nach den Statuten erhielt die erste Meisterin zwei Teile und die Schwestern, denen der Dank galt, je einen. Doch was galt für das Pergament? Das Schreiben war an sie gerichtet. Neugier, Furcht und Gehorsam fochten einen kurzen Kampf in Ysée. Dann steckte sie das Pergament in die Tasche ihres Obergewandes und brachte den Almosenkorb in das Kapitelhaus. Schwester Alaina schritt eben die Treppe herab und nahm den Korb mit ungerührter Miene entgegen. »Hast du schon etwas herausgenommen?«
    »Ich bin keine Diebin«, protestierte Ysée verletzt. Gleichzeitig spürte sie das Gewicht der Pergamentrolle, als wäre es ein Ziegelstein. Alles, was von Piet Cornelis kam, verstrickte sie in Schwierigkeiten. »Wer gibt das Almosen?«
    »Das Haus Cornelis«, erwiderte Ysée.
    Cornelis? Die zweite Meisterin runzelte zweifelnd die Stirn. Von dieser Seite hatte sie wahrhaftig nicht mit milden Gaben gerechnet. Was steckte hinter der unerwarteten Nächstenliebe des Ratsherrn? Man würde seine Aufmerksamkeit genau prüfen müssen, ehe man ihm dankte. Sie musste mit der Maestra besprechen, in welcher Form dies geschehen sollte, damit der Weingarten keinen Ärger bekam.
    Da Ysée keine Ahnung von Alainas besorgten Gedankengängen hatte, wartete sie vergebens darauf, gesagt zu bekommen, wann sie sich ihren Teil aus dem Korb abholen durfte. Sie erhielt lediglich den Befehl, in die Infirmerie vorauszugehen und der Schwester Apothekerin behilflich zu sein. Es lag ihr auf der Zunge, nach ihrem Anteil zu fragen, aber am Ende fehlte ihr der Mut dazu.
    Ysée verließ das Haus der Magistra mit gemischten Gefühlen. Sie blinzelte gegen den Morgenhimmel, von dem sich der kleine Holzturm der Kirche wie ein mahnender Zeigefinger abhob. Obwohl ihr Alaina befohlen hatte, keine Zeit zu vertun, betrat sie erst das Gotteshaus. Um diese Stunde hatte sie die Madonna vom Weingarten für sich allein. Mutter und Kind sahen ihr zu, wie sie die Pergamentrolle aus ihrem Versteck holte und furchtsam betrachtete. Das schlechte Gewissen ließ sie zögern.
    Dann jedoch brach sie das Siegel so hastig auf, dass Wachsstücke in alle Richtungen davonflogen. Sie konnte sich nicht erklären, warum Piet Cornelis Pergament dafür verschwendete, ihr zu danken. Die Magistra erhielt Briefe, vielleicht auch Schwester Alaina und die vornehmeren Bewohnerinnen des Hofes, aber niemals eine Magd, auch wenn sie nun zur Schülerin und Novizin gemacht worden war.
    Anfangs fiel es ihr schwer, die Federstriche zu Buchstaben und Worten zusammenzufügen. Sie waren nicht so regelmäßig und deutlich ausgeführt wie in den Büchern. Dennoch gelang es ihr, den Inhalt zu enträtseln, und mit jedem Wort wurden ihre Augen größer.
    »Ehrenwerte Jungfer Ysée«, las sie fassungslos. »Da es mir nicht erlaubt ist, Euch persönlich aufzusuchen, muss ich Euch auf diese Weise sagen, was ich empfinde. Ihr habt in mir die Erinnerung an eine teure Verstorbene geweckt, deren Bild ich für immer verloren glaubte. Verzeiht die Eile meines Anliegens, aber ich brauche eine neue Gemahlin. Niemand ist besser dafür geeignet als Ihr. Verlasst den Weingarten und werdet die Mutter meines Sohnes. Mein Reichtum ist der Eure. Ihr könnt schon morgen Herrin statt Begine sein. Ich warte auf Eure Antwort. Piet Cornelis.«
    Das Blatt entglitt Ysées Fingern. Es segelte, vom Luftzug getragen, genau vor die Füße von Pater Simon, dessen Kommen sie nicht bemerkt hatte und der ihr schon seit geraumer Zeit zusah, wie sie zunehmend bleicher und verstörter wurde. Er

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